Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
Sabine. „Die Aufführung muss ein tolles Erlebnis gewesen sein", fügte sie sehnsüchtig hinzu.
    „Das kann man sagen", bestätigte der Vampir. Ja, es war ein fantastisches Ereignis gewesen, und auch an die beiden hübschen Mädchen von der Requisite, an denen er sich nach der Vorstellung gestärkt hatte, konnte er sich noch gut erinnern.
    Langsam schlenderten sie den Weg entlang. Es wurde zunehmend dunkler, und bald konnte Sabine nicht mehr erkennen, wohin sie ihren Schritt setzte, doch ihr Begleiter schien den Weg gut zu kennen und führte sie sicher die Treppenstufen hinunter und um alle Hindernisse herum.
    Die erste Freude darüber, auf einen Gleichgesinnten gestoßen zu sein, verwandelte sich in Sabine plötzlich in Furcht. Was hatte der Anrufer auf ihre Frage, wer er sei, geantwortet? Auch das war ein Zitat aus Faust gewesen. Konnte das ein Zufall sein? Sie schielte zu ihrem Begleiter hinüber, dessen Silhouette sich gegen den klaren Nachthimmel abzeichnete. Nun, da sie in der zunehmenden Dunkelheit sich nicht mehr auf ihre Augen verlassen konnte, nahmen ihre Sinne den Begleiter an ihrer Seite plötzlich auf ganz andere Weise wahr. Die widersprüchlichsten Gefühle stritten sich in ihr. Da waren Furcht und Abscheu, aber auch prickelnde Faszination und ein erotischer Funke, der zur Flamme wurde und sie wärmte. War er derselbe Mann, mit dem sie schon einmal durch die Nacht geschritten war? Aber wie hätte er nach ihrem letzten Treffen so schnell nach St. Georg kommen können, nachdem sie sich hier von ihm verabschiedet hatte? Sie musste versuchen, ihn loszuwerden, und ihn gleich morgen zum Verhör vorladen.
    Der Vampir spürte die Veränderung, die mit der jungen Frau vor sich ging, doch er ließ es sich nicht anmerken.
    „Sie lieben schöne Ausblicke, Musik, Theater und Literatur -darf ich ganz neugierig fragen, was Sie beruflich machen? Sind Sie Künstlerin? Ich rate einmal: Sie malen!"
    Sabine lachte. „Nein, nein, meine Malkünste reichen gerade einmal für die Ansprüche meiner Tochter aus, obwohl ich bei Tieren regelmäßig versage." Sie hatte seine Frage bewusst nicht beantwortet, doch er ließ es dabei bewenden.
    Vielleicht ist es ja doch ein Zufall, überlegte die Kommissarin, schließlich weiß mein nächtlicher Anrufer sehr gut, was ich mache -oder er ist schlau und will meine Bedenken zerstreuen.
    „Ich sollte vielleicht gleich zur S-Bahn weitergehen. Ich muss noch bis nach Winterhude fahren", warf sie ihm einen weiteren Köder hin.
    „Wohnen Sie dort? Ich dachte, Sie kommen vielleicht hier aus der Gegend."
    Wieder keine Antwort, stattdessen schwenkte sie zurück zur Literatur.
    „Im Sommer habe ich meine Mutter besucht und war mit ihr in einer Aufführung von Romeo und Julia in Schwäbisch Hall, dort haben sie das Globetheater nachgebaut."
    Er spürte ihren lauernden Blick in seiner Seite, lächelte in sich hinein und zitierte zwei seiner Lieblingsszenen.
    „Ja, und dann sagt Romeo: Ich will in deinen Augen leben, in deinem Schoß sterben, in deinem Herzen begraben werden", fügte Sabine leichthin hinzu.
    Er hörte, wie sie vor Spannung den Atem anhielt. Fast hätte er laut gelacht, doch stattdessen legte er, scheinbar nachdenklich, die Stirn in Falten.
    „Ich kann mich nicht daran erinnern. Sind Sie sicher? Könnte das Zitat nicht aus dem Sommernachtstraum stammen? Nein -oder aus: Wie es euch gefällt?..."
    „...oder aus: Viel Lärm um nichts?" Sabine blieb stehen.
    „Oh ja, das könnte sein. Sagt das Claudio zu seiner Hero? Wir müssen es nachprüfen!"
    Die S-Bahn wurde nicht mehr erwähnt. Sabine folgte Peter von Borgo, ließ sich auf das zierliche Sofa sinken und wartete dort, bis ihr Gastgeber mit dem Wein zurückkam. Er prostete ihr zu, stellte dann jedoch sein Glas auf dem Flügel ab und schritt zu den Bücherregalen. Er zog ein altdeutsch gedrucktes Büchlein in rotem Leder hervor, auf dem in verschlungener Goldschrift Viel Lermens um Nichts stand.
    Sabine trank von dem schweren Wein und ging aufmerksam an den Buchreihen entlang. Welch herrliche Schätze! Alle Größen der Literatur waren hier versammelt, alle in alten, aufwändig gebundenen Ausgaben. Goethe, Kleist, Rilke, Schiller, von Hofmannsthal...
    „Da, ich habe es!", rief er plötzlich und kam zu ihr, um ihr die Stelle zu zeigen. „Sie lagen mit ihrer Stückauswahl richtig, doch ich habe mich in der Person geirrt. Benedict sagt es zu Beatrix."
    Die junge Frau las die Stelle, obwohl sie die Antwort schon vorher gewusst

Weitere Kostenlose Bücher