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Der Duft des Meeres

Der Duft des Meeres

Titel: Der Duft des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Frazier
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geschwungene Klinge in der Hand. Es war wahrscheinlich das Messer, das er benutzt hatte, um es zwischen die Doppeltüren zu schieben und den Riegel zu lösen. Sie konnte sich nicht bewegen, konnte nicht sprechen, und ihr Unterkiefer klappte herunter. Ihre Gedanken rasten, sie versuchte zu berechnen, wie weit Oscar entfernt war und ob er sie rechtzeitig erreichen würde, wenn sie schrie. Falls sie überhaupt einen Schrei herausbrachte.
    »Du sollst mit mir kommen«, verlangte der Fremde, ohne sich im Mindesten anmerken zu lassen, dass das klare Wasser jeden Zentimeter ihres Körpers sehen ließ. Er griff nach einem Handtuch und warf es ihr hin.
    »Zieh etwas an. Und ich will keinen Mucks von dir hören.«
    Nicht mehr als fünf Minuten später gingen Camille und der Fremde zwischen den gelblichen runden Laternen hindurch, die die Hafendocks beleuchteten. Sie trug nur das, was sie mit in die Speisekammer genommen hatte: eine Kniehose und ein Hemdchen, bedeckt von einem Nachthemd, und darüber einen Morgenrock. Wann immer jemand an ihnen vorbeikam, wollte Camille gleichzeitig voller Scham die Schultern einziehen und um Hilfe schreien. Der Mann hielt die Spitze des Messers fest in ihre Seite gedrückt, als wisse er von ihren Plänen.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie zum fünften Mal. »Was wollen Sie?«
    Wieder gab er ihr keine Antwort, aber diesmal pikte er ihr in die Seite. Mit einer Hand fest auf ihrem Arm zwang er Camille, auf einen verdunkelten Kai einzubiegen. Eine einzige Laterne beleuchtete die Anlegestelle, und zu ihrer Linken war das Geräusch eines Schiffs zu hören, das sich sanft knarrend wiegte. Ihre Augen gewöhnten sich an das schwache Licht, und sie sah, dass das Schiff eine Brigg mit drei Masten war, die Segel gerefft, die Fender ausgebracht.
    »Ich kenne diese Brigg«, wisperte sie. Ihr Namenszug schimmerte im Laternenlicht, während der Fremde sie die Laufplanke hinaufdrängte. Tarnkappe. Dieser Mistkerl führte sie auf Stuart McGreenerys Schiff!
    Wann war er eingetroffen? Es wäre Camille gewiss aufgefallen, wenn die Tarnkappe im Hafen gelegen hätte, als die Londoner einlief. Aber Melbourne war einer von McGreenerys Häfen, erinnerte sie sich, und er war auch der Empfänger eines der Briefe ihrer Mutter gewesen. War er den ganzen weiten Weg gereist, um ihre Mutter zu sehen? Das machte keinen Sinn, es sei denn, es gab etwas, das auch er wollte. Wie beispielsweise die Karte.
    Die stillen Decks erschreckten sie, und sie vermutete, dass die Mannschaft entlassen worden war. Das einzige Licht, das zu sehen war, kam aus den Fenstern einer Kajüte unter dem Achterdeck.
    Der Fremde klopfte mit seiner schweren Faust an die Tür.
    »Herein«, erklang eine kühle Stimme. Als sie eintraten, erhob sich Stuart McGreenery von seinem Stuhl. Sein schulterlanges Haar sah genauso aus wie immer – glatt, pomadisiert und im Nacken zusammengebunden.
    »Camille«, begrüßte er sie und deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Er beachtete ihr Aussehen nicht, auch nicht ihre nackten Füße. Sie hätte gerade so gut vollkommen unbekleidet sein können.
    »Kapitän McGreenery«, erwiderte sie, während ihre Abneigung ihm gegenüber in ihr brodelte. Sie ignorierte sein Angebot, Platz zu nehmen, hielt den Morgenrock an ihrem Hals zusammen und wackelte mit ihren kalten Zehen.
    »Darf ich Ihnen mein Beileid zum Tod Ihres Vaters und dem Verlust der Christina ausdrücken« , sagte er. Sie hatte vergessen, dass er jede Silbe artikulierte, als würde er sie am Ende abhacken.
    »Ist das der Grund, warum Sie diesem Kerl den Auftrag gegeben habe, in mein Badezimmer einzubrechen und mich mit vorgehaltenem Messer zu zwingen hierherzukommen?«, fragte sie, die Schultern ihres Morgenmantels nass von ihrem losen Haar. McGreenery nickte dem Mann zu, und die Tür schloss sich mit einem Klicken, als er den Raum verließ.
    »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte McGreenery mit einem definitiven Mangel an Aufrichtigkeit. »Einige meiner Matrosen haben einfach kein Taktgefühl.«
    Stuart McGreenery passte perfekt zu dem Namen seines Schiffs, Tarnkappe. Er hatte etwas Verschlagenes an sich. Seine Beine waren lang und hager und verhüllt mit marineblauen Hosen und elfenbeinfarbenen Seidenstrümpfen. Eine rote Schärpe, die er um seinen Bauch gebunden hatte, ließ schmale Hüften frei, und seine breiten Schultern konnten es gut und gern mit denen von Oscar aufnehmen. Aber im Wesentlichen offenbarte sich seine Verschlagenheit in der Art, wie er

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