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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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durch einen anderen Eingang ins Innere des Tempels treten.
    Es ging so schnell, dass Alice nicht verstand, wie es hatte überhaupt geschehen können. Andrés’ Auftauchen musste auch die anderen Männer abgelenkt haben, obwohl ihnen das Schicksal eines Indio-Jungen egal war. Dr. Scarsdale, der gerade noch zwischen zwei Pfeilern gestanden hatte, verschwand so plötzlich, dass Alice zunächst meinte, er wäre die Stufen hinabgestürzt.
    »Schnell! Er läuft weg!«, rief sie auf Spanisch und sah, wie die Männer sich in Bewegung setzten. Ein paar Schüsse knallten, Schritte entfernten sich, während Andrés den bewusstlosen Julio an ihrer Seite niederlegte. Blut rann aus seiner Nase, und an der rechten Schläfe klaffte eine Fleischwunde, die er sich vermutlich an der Kante einer Stufe zugezogen hatte, doch seine Brust hob und senkte sich regelmäßig.
    Alice wurde ein wenig wohler. Schnell erzählte sie Andrés, was der Archäologe gestanden hatte. Er schien nicht einmal schockiert, nur überrascht.
    »Niemand hätte das diesem Bücherwurm zugetraut. Wir haben ihn alle unterschätzt«, stellte er fest. »Aber auch wenn er jetzt entkommt, ist das sein Ende. Wo kann er sich denn noch blicken lassen? Ihm bleibt nichts anderes übrig, als sich im Dschungel zu verstecken. Ich bezweifle, dass die Hach Winik ihn sehr wohlwollend empfangen werden, sobald Ix Chel ihn als Mörder ihres ersten Gatten identifiziert hat.«
    »Aber er hat die Kette!«, rief Alice entsetzt. Bei seinem Besuch in ihrer Hütte hatte sie in seine Hosentasche gesteckt, und sie ahnte, dass er seinen bisher wertvollsten Fund stets mit sich herumtrug, damit er nicht gestohlen werden konnte. »Ix Chels Kette. Ich will nicht, dass ausgerechnet er sie behält.«
    »Er bringt sie nur in den Dschungel zurück, wo sie die ganze Zeit vorher gewesen ist«, sagte Andrés zu ihrer Beruhigung und zog sein Hemd aus, um es unter Julios Kopf zu schieben. Alice tastete nach dem Puls des Jungen.
    »Ich werde Juan Ramirez bitten, ihn schnellstmöglich nach San Cristóbal zu bringen. Dort gibt es sicher einen Arzt«, versprach sie und spürte, wie Andrés seinen Arm um ihre Schultern legte.
    »Wenn Dr. Scarsdale sich im Dschungel verstecken muss, dann ereilt ihn jenes Schicksal, das er dir fast aufgezwungen hätte, indem er zuließ, dass du verdächtigt wurdest«, sagte sie. »Man könnte es fast ausgleichende Gerechtigkeit nennen.«
    Andrés nickte, schien aber nicht sehr beeindruckt von dieser Erkenntnis.
    »Ich bin so froh«, stammelte Alice schließlich. »So froh, dass Patrick schon tot war, als es geschah.«
    Sie schmiegte sich weinend an Andrés, der sie wortlos festhielt. Ganz gleich, ob Dr. Scarsdale gefasst wurde oder nicht, sie wussten beide, dass nun alles ausgestanden war.
    Die Capataces, die in den Diensten des Archäologen gestanden hatten, nutzen Juan Ramirez’ Abwesenheit, um sich davonzumachen. Weder Alice noch Andrés versuchten, sie aufzuhalten, denn ihr eigentlicher Gegner, Martin, war bereits tot. Ricardo harrte ein wenig länger aus, schlich sich schließlich in Alice’ Richtung, um ihr eine zusammengerollte, schon ziemlich ausgetrocknete Tortilla zu überreichen. Dann lief er hinab zum Bach und kehrte mit einem Becher Wasser zurück.
    »Lo siento …«, begann er mühsam auf Spanisch, um dann in seine Muttersprache zu verfallen.
    »Er sagt, dass es ihm leidtut, dass er nicht wollte, dass du stirbst, und dass er nicht wusste, dass el doctor ein schlechter Mensch ist«, übersetzte Andrés. Alice nahm es nickend hin, obwohl ihr klar war, dass der Junge vor allem Geld gebraucht hatte. Gestern noch wäre sie sogar bereit gewesen, ihm eine bescheidene Summe zu versprechen, falls er sie bis zu Hans Bohremann begleitete. Doch neben ihr lag ein anderer schwer verletzter Indio. Hätte Ricardo sich nicht als Verräter erwiesen, wäre all dies nicht geschehen.
    »Sag ihm, dass ich seine Beweggründe kenne und dass er zu seiner Familie zurückgehen soll«, bat sie Andrés, der die Botschaft weitergab. Ricardo verschwand kurz vor der Rückkehr von Juan Ramirez, als es bereits zu dämmern begann. Die Männer machten einen mürrischen Eindruck, als sie an den Tempeln entlangschritten und auf Alice zukamen.
    »Wir haben ihn nicht gefunden«, erklärte Juan Ramirez mit sichtlichem Bedauern.
    »Er kennt die Gegend um die Ruinen wohl sehr gut und weiß, wo er sich verstecken muss«, sagte Andrés.
    Juan Ramirez ging vor Alice in die Hocke.
    »Wir können morgen

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