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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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einem flüchtigen Kuss auf ihre Wange verabschiedete. Als die Tür hinter ihm zufiel, empfand sie nichts weiter als Erleichterung. Sie war entspannt und bereit einzuschlafen. Das Alleinsein ängstigte sie nicht mehr, denn eine neue intensive Erfahrung hatte die Erinnerung an Todesangst und Wehrlosigkeit verdrängt. Den Gedanken, dass sie die Dinge weiter verkompliziert hatte, schob sie von sich. Sie hatten sich beide gierig geholt, wonach es ihnen seit dem ersten Zusammentreffen in Veracruz verlangt hatte, doch jenseits davon vermochte sie keine gemeinsame Zukunft zu erkennen. Sie beschloss, dass am nächsten Tag noch genug Zeit wäre, darüber nachzudenken.
    Beim Frühstück sah Juan Ramirez wieder tadellos aus, schenkte Alice allerdings kaum Beachtung, als sie in den Speisesaal des Hotels trat. Sie führte dies auf die Anwesenheit der Bohremanns und von Dr. Scarsdale zurück, kämpfte entschlossen gegen ein Gefühl des Ärgers an, da er sogar ihre Begrüßung nur mit einem Kopfnicken abtat. Sollten die Spiele des schönen Mexikaners einfach weitergehen, sodass auf die gestrige Nacht nun längere Nichtbeachtung folgen würde? Sie hatte plötzlich den Wunsch, ihm gegen das Schienbein zu treten, hielt sich aber wegen der anderen zurück.
    »Es gibt Neuigkeiten, die Sie sicher interessieren werden, Miss Wegener«, sagte Dr. Scarsdale, als sie sich gerade den ersten Kaffee einschenken wollte. »In den frühen Morgenstunden traf ein Bote von der Hazienda ein. Man hat Andrés Uk’um, den Mörder Ihres Bruders, gefasst.«
    Alice starrte ihn fassungslos an. Juan Ramirez war unwichtig geworden, ebenso wie ihr Plan, bald schon nach Hause zu fahren, in weite Fernen rückte.
    »Der Kaffee«, hörte sie Rosario Bohremann sagen und bemerkte, dass sie für einen immer größer werdenden braunen Fleck auf der weißen Tischdecke verantwortlich war.
    »Oh, das tut mir leid.«
    Sie warf einem der Kellner einen schuldbewussten Blick zu.
    »Nun, wann kann ich diesen Andrés Uk’um sehen?«, fragte sie ungeduldig Hans Bohremann.

Der Gefangene war in einem winzigen Raum am hintersten Ende des Vorhofes untergebracht worden, bewacht von zwei Männern, an deren Gürteln Pistolen hingen. Alice schien der Anblick völlig unpassend, als sei eine Bande von Verbrechern in die elegante Welt der Hazienda eingedrungen.
    »Ihn andernorts unterzubringen wäre zu riskant«, sagte Hans Bohremann. »Die Indios könnten versuchen, ihn zu befreien.«
    Alice sah, wie ihre Reisetasche wieder einmal abgeladen und in ihr Zimmer getragen wurde. Mariana kam zur nächsten stürmischen Begrüßung die Stufen heruntergerannt. Diesmal schien sie völlig unversehrt.
    »Sie wollen sich sicher etwas frisch machen, bevor das Mittagessen aufgetragen wird«, meldete sich Rosario zu Wort, die ebenfalls in einer Sänfte gereist war. Sie hatten fast zwei Tage gebraucht, um wieder auf die Hazienda zu gelangen. Alice wollte vor allem Andrés Uk’um sehen, doch das ausweichende Verhalten der Bohremanns machte ihr klar, dass sie vielleicht nicht zu sehr drängen sollte. Sie ging daher in ihr Zimmer, wo alles, auch Patricks Tagebuch, unberührt an seinem Platz lag. Rasch zog sie ein frisches Kleid an, steckte ein paar gelöste Haarsträhnen in den Knoten und trat den Weg in den Speisesaal an, jenen Ort, an dem sie ihre entscheidende Schlacht zu schlagen gedachte, sobald ein inneres Gefühl ihr sagte, dass der richtige Augenblick gekommen war.
    »Wenn es möglich ist, würde ich Andrés Uk’um gern bereits am Nachmittag sehen. Das Gespräch ist mir sehr wichtig«, sagte sie, als Eiscreme zum Dessert aufgetragen wurde. Sie hörte Rosario leise seufzen. Juan Ramirez hatte den Blick abgewandt, wie meistens in letzter Zeit, was Alice aber kaum störte, da sie mit anderen Dingen beschäftigt war.
    »Es leuchtet uns allen nicht ganz ein, was Sie sich von einem solchen Gespräch erhoffen«, erwiderte Dr. Scarsdale nüchtern. Alice fragte sich, weshalb es überhaupt einer Rechtfertigung bedurfte, zog es aber vor zu antworten.
    »Ich würde gern seine Sichtweise der Dinge erfahren. Er hat meinen Bruder doch auch gekannt.«
    In den Blicken, die sie trafen, lag so viel Staunen und Missbilligung, dass sie unter dem Tisch die Hände zu Fäusten ballte.
    »Er wird vor Gericht die Möglichkeit haben, seine Sichtweise der Dinge darzulegen. Wenn Sie wünschen, können Sie bis zu der Gerichtsverhandlung weiter unser Gast sein.«
    Hans Bohremanns gastfreundliches Angebot hatte nicht mehr ganz

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