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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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so herzlich geklungen wie zuvor, aber Alice zweifelte nicht, dass er es ernst meinte.
    »Wo wird die Gerichtsverhandlung stattfinden?«, fragte sie.
    »In Tuxtla Gutiérrez, der Hauptstadt dieser Provinz. Ich habe bereits eine Nachricht an den Gouverneur geschickt, damit alles schnell erledigt werden kann.«
    Alice nippte an ihrer Limonade.
    »Der Gouverneur ist ja ein guter Freund von Ihnen. Der Richter, vermute ich, auch.«
    Rosario strafte sie mit einem weiteren abfälligen Blick. Das Gesicht des Archäologen blieb unbewegt. Juan Ramirez musterte die Blumen in der Vase auf dem Tisch.
    »Was wollen Sie damit andeuten, Fräulein Wegener?«
    Der Kaffeebaron hatte noch niemals derart scharf mit ihr gesprochen. Alice erschrak ein wenig, beschloss aber, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzuverfolgen.
    »Mir scheint es, dass Sie die Dinge Ihren eigenen Interessen entsprechend regeln wollen. Dieser Andrés Uk’um ist Ihnen aus diversen Gründen ein Dorn im Auge. Dass er meinen Bruder auf dem Gewissen hat, ist ja durchaus möglich. Nur fürchte ich, dass er einfach verurteilt werden wird, um diese unschöne Angelegenheit zu einem schnellen Abschluss zu bringen. Niemand scheint ernsthaft bemüht, die Wahrheit herauszufinden.«
    Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Wahrscheinlich hatte sie sich gerade eben sehr unhöflich und zudem ungeschickt verhalten, doch gleichzeitig erleichterte es sie, endlich das ausgesprochen zu haben, was sie seit Wochen quälte.
    Hans Bohremann erschreckte sie, indem er so schnell aufsprang, dass sein Stuhl umzukippen drohte. Die tadellosen Manieren des Hausherrn ließen Alice manchmal vergessen, wie viel Macht er in diesem Land besaß. Nun, da er in seiner ganzen Größe vor ihr stand, wirkte er fast einschüchternd.
    »Ich bedauere, wie wenig Vertrauen Sie mir entgegenbringen, Fräulein Wegener«, begann er. Alice wollte sogleich einwerfen, dass er sie missverstanden hatte, doch er ließ ihr keine Gelegenheit dazu.
    »Sie sollen keinesfalls den Eindruck gewinnen, dass ich hier willkürlich vorgehe. Es würde durchaus in meiner Macht stehen, diesen Andrés Uk’um am nächsten Baum aufhängen zu lassen, aber ebendies tue ich nicht, sondern ich will ihm die Möglichkeit einer Gerichtsverhandlung geben. Doch wenn Sie darauf bestehen, sich mit einem Mörder zu unterhalten, dessen Mentalität Ihnen völlig fremd ist, dann werde ich es Ihnen nicht verweigern. Ich hoffe nur, dass Ihre Nerven diesem Gespräch gewachsen sind.«
    Er setzte sich und würdigte sie keines weiteren Blickes mehr. Alice fühlte sich in ihre Kindheit zurückversetzt. Sie war oft für allzu forsches, taktloses Verhalten gerügt worden und hatte dann beschämt in einer Ecke gesessen, ohne ihr Naturell ändern zu können. Ihr Sieg, die Aussicht auf das gewünschte Gespräch, wurde durch Hans Bohremanns Benehmen zu einer Niederlage, denn sie hatte die Sympathien eines einflussreichen Mannes verspielt. Sie atmete tief durch, um Ordnung in ihren Kopf zu bringen. Morgen würde sie versuchen, sich mit dem Kaffeebaron zu versöhnen, doch heute stand ihr eine Begegnung mit dem vermeintlichen Mörder ihres Bruders bevor, auf die sie sich innerlich vorbereiten musste.
    »Ich danke Ihnen«, sagte sie höflich. »Meine Nerven werden es überstehen, keine Sorge.«
    Hans Bohremann blickte nur kurz auf. Dann winkte Rosario die Dienstboten herbei, um das Geschirr abzutragen.
    Alice war im Begriff, sich alle Fragen aufzuschreiben, die sie Andrés Uk’um stellen wollte, als es an ihrer Tür klopfte. Sie erwartete Marcella mit Früchten oder Limonade, rief daher nur »herein«. Die Tür öffnete sich. Rosario Bohremann trat schweigend ein. Alice legte rasch ihren Füllfederhalter zur Seite und erhob sich.
    »Ich … bin sehr erfreut, Sie zu sehen«, log sie. Die schöne Mexikanerin verzog keine Miene, vermied es auch, sich auf das Bett zu setzen, denn es gab nur einen einzigen Stuhl, der unmittelbar hinter Alice stand.
    »Sie haben meinen Mann heute sehr gekränkt«, begann Rosario ohne jedes höfliche Geplänkel. »Ich glaube, Sie begreifen nichts von unserem Land, maßen sich aber an, ein Urteil über uns zu fällen.«
    Das war ein Schlag ins Gesicht. Alice straffte die Schultern. Wenn diese Frau eine Auseinandersetzung wollte, dann sollte sie sie bekommen.
    »Dann erklären Sie mir bitte, was ich nicht verstehe. Mir fehlen überzeugende Beweise, warum ein gebildeter Mann, offenbar geschickt im Umgang mit modernen Maschinen, meinen

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