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Der Duft von Orangen (German Edition)

Der Duft von Orangen (German Edition)

Titel: Der Duft von Orangen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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kein sonderlich guter Künstler, oder?“
    „Vermutlich nicht.“ Ich wollte ihn nicht drängen, wollte, dass Johnny es mir in seiner Geschwindigkeit und zu seinen Bedingungen erzählte. Selbst wenn es bedeutete, dass ich nicht alles auf einmal erfuhr. Ich wollte die Diskussion einfach nur anfangen. Bereits jetzt hatte ich Dinge erfahren, die ich nicht gewusst hatte. Ich fühlte mich schon besser.
    „Es war ein verdammt heißer Sommer“, fuhr Johnny fort. „Wir waren alle voll von diesem … ich weiß nicht, wie man es nennen soll. Da war so ein Pulsieren, ein Wachstum … das Gefühl, etwas zu kreieren. Das hatte uns gepackt. Wir wollten Kunst machen. Candy mit seinem Kochen, Bellina mit ihren Theaterstücken, Paul mit den Filmen.“
    „Und Ed mit seinen Gedichten.“
    „Ja. Er hat auch Bücher geschrieben, wusstest du das?“
    Ich nickte. „Ja, aber ich habe keines davon gelesen.“
    „Okay, er war kein J. D. Salinger oder so, aber seine Bücher waren gut. Ich meine, verdreht, aber gut. Doch seine Gedichte … die waren Kunst. Echte Kunst, Emm.“
    „Ja, Kunst, die ich nicht zu schätzen weiß“, murmelte ich.
    Ich dachte an Eds Gesicht auf der anderen Seite der Küche. Seinen Gestank. Den Klang seiner Stimme, als er das Gedicht laut vorlas. Bei meiner Mutter hatte es so viel hübscher geklungen. Warum konnte ich mich nicht daran erinnern?
    „Pffft“, sagte Johnny. „Mach nur so weiter.“
    „Meine Mutter hat mich nach einem seiner Gedichte benannt.“
    Johnny wurde still. „Wirklich?“
    Ich musterte ihn. „Ja. Sie wandert in der Nacht .“ Johnny trank sein zweites Glas Whiskey aus.
    „Sie hat mir das Buch mitgebracht“, sagte ich. „Sie hat mir erzählt, dass sie mir das Gedicht während ihrer Schwangerschaft wieder und wieder vorgelesen hat. Und auch nach meinem Unfall. Sie hat mich danach benannt, aber ich erinnere mich nicht daran, dass sie es mir jemals vorgelesen hat.“
    „Ich liebe deinen Namen“, sagte Johnny.
    „Es ist kein schönes Gedicht“, erklärte ich mit gerunzelter Stirn.
    „Es hätte schlimmer kommen können. Wer weiß, wie deine Mom dich genannt hätte, wenn sie zum Beispiel ein großer Fan von E. E. Cummings gewesen wäre.“
    „Standest du ihm nah?“, wollte ich wissen.
    „Ed? Niemand stand ihm nah. Er lebte in seinem eigenen Kopf. Er hing mit uns ab, aber hatte irgendjemand von uns eine engere Beziehung zu ihm? Ich glaube nicht.“
    „Aber als er starb, hat euch das alle sehr verstört, oder?“
    Johnny sah aus, als müsste er darüber nachdenken. Ich roch den Whisky in seinem Atem. „Ja, das war nicht schön. Wolltest du das wissen?“
    „Was ist passiert?“
    „Er war … Ed. Ich meine, er hat sein Ding gemacht, weißt du? Wir alle haben unser Ding gemacht. Aber er hat sich auf Drogen eingelassen. Hartes Zeug. Hat sich Spritzen gesetzt. Nicht geschlafen. Zu viel getrunken. Verrücktes Zeug, Emm. Und irgendwann ist er einfach durchgedreht, schätze ich. Er konnte nicht damit umgehen. Mit dem Leben. Mit was auch immer.“ Johnny rieb sich über die Augen. „Er hat zu viel getrunken, sich zu viel gespritzt, dann die Pulsadern aufgeschlitzt und ist ins tiefe Ende vom Pool gesprungen, nachdem alle anderen draußen waren. Himmel, vielleicht hat er sogar gedacht, dass jemand ihn finden würde. An jedem anderen Abend wäre jemand da gewesen. Aber nicht in jener Nacht.“
    „Und dann ist er … gestorben.“
    „Ja. Er ist gestorben.“ Johnny schob mich beiseite und ging um seinen Schreibtisch herum. Tigerte auf und ab. Fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und verschränkte die Fingerhinter dem Kopf. „Hat eine verdammte Schweinerei in meinem Pool angerichtet.“
    Ich wartete schweigend, das Glas in der Hand, ohne davon zu trinken.
    „Willst du wirklich immer noch wissen, was passiert ist?“, fragte Johnny mich leise, ohne mich anzusehen.
    „Nur, wenn du es mir erzählen willst.“
    Er drehte sich um. „Ed ist verrückt geworden. Unsere Gruppe ist auseinandergebrochen. Ich schätze, ich bin auch ein klein wenig verrückt geworden. Ich ließ das, was andere Leute über mich sagten, was sie von mir wollten, wichtiger sein als das, was ich eigentlich hätte tun sollen. Also ging ich eine Weile fort, um meinen Kopf frei zu kriegen.“
    Ich dachte an den damaligen Johnny– den, den sich mein Kopf ausgedacht hatte. Konnte er verrückt geworden sein? Könnte ihn das alles so überwältigt haben, dass er weggehen musste?
    „In eine Entzugsklinik?“
    Er

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