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Der Duft von Orangen (German Edition)

Der Duft von Orangen (German Edition)

Titel: Der Duft von Orangen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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haben. Ich atme zischend aus und verlagere mein Gewicht.
    „Ruhig“, sagt Johnny erneut.
    Ich rieche keine Orangen. Ich rieche Autoabgase und den Gestank von Abfall, der vermutlich aus der Gasse hinter dem Haus oder den Tonnen stammt, die fein säuberlich am Bordstein aufgereiht stehen. Ich rieche heißen Beton. Und ich rieche ihn .
    Ohne nachzudenken, lehne ich mich zu ihm hinüber und atme tief ein. Sein Haar kitzelt auf meiner Wange. Er riecht, wie ein Mann riechen sollte – nicht nach Aftershave, sondern nach reiner Haut, ein bisschen Sommerschweiß und frischer Luft. Er riecht besser, als ich es mir je erträumt hätte. Und in meiner Vorstellung hat er schon verdammt gut gerochen.
    „Hey“, sagt er sanft.
    Blinzelnd richte ich mich wieder auf. Die Hitze in meinen Wangen und meiner Kehle hat nichts mit der Sommersonne zu tun, die auf uns herunterscheint. Ich habe ihn gerade beschnüffelt wie ein Hund einen Hydranten. Während meiner Episoden mache ich viele Sachen, die ich im normalen Leben nicht tun würde, doch nie war es mir so peinlich gewesen wie jetzt gerade.
    „Tut mir leid“, sage ich und versuche aufzustehen, aber er hält mich fest.
    „Kein Problem. Wie heißt du?“
    Er ist noch schöner als auf den Fotos. Ich weiß, es ist nicht fair, diesen jungen Johnny mit der älteren Version von ihm zu vergleichen, aber ich kann nicht anders. Dieser Johnny lächelt mich an; etwas, das der ältere nie tut. Er zieht seinen Kopf ein wenig ein und schaut mich unter seinem etwas zu langen Pony heraus an.
    „Du hast doch einen Namen, oder?“
    „Emm“, sage ich. „Mein Name ist Emm.“
    „Johnny.“ Er schüttelt meine Hand, bevor er sie auf seinen Oberschenkel sinken lässt.
    Ich fühle seine Haut an meinem Handrücken. Ich zittere erneut. Blinzeln und atmen. Das hier ist eine Episode. Ich bildemir das alles nur ein. Irgendwo anders liege ich gerade in einer Ohnmacht.
    „Oh.“ Das Wort klingt mehr wie ein Stöhnen. Ich schließe meine Augen. „Johnny.“
    Ich meine denjenigen aus dem Winter, den in dem schwarzen Mantel. Den Johnny, in den ich hineingelaufen bin und vor dem ich mich in diesem Augenblick vermutlich gerade zum größten Deppen mache.
    „Ja. So heiße ich.“ Er verlagert sein Gewicht, sodass unsere Oberschenkel sich berühren. „Ich kenne dich nicht, aber du scheinst mich zu kennen. Wie kommt das?“
    Das hier ist eine Episode, sage ich mir. Sie ist nicht real. Aber egal wie sehr ich es auch versuche, ich kann nichts anderes fühlen als das, was hier gerade geschieht. Diesen Ort. Diesen Mann vor mir. Kein Hauch von irgendetwas anderem, obwohl ich weiß, dass es da sein muss, direkt vor mir.
    Doch ich will gar nicht zurück in die Realität, stelle ich fest, als ich Johnnys Lächeln betrachte. Es gilt allein mir. Genau wie der anerkennende Blick, mit dem er mich von Kopf bis Fuß mustert und der eine Sekunde zu lange auf meinen Brüsten verweilt, bevor er zu meinem Mund huscht. Er leckt sich über die Lippen. Als er den Kopf hebt, um mich wieder anzusehen, verliere ich mich in seinen Augen.
    „Du redest nicht viel, was?“
    „Ich … Es ist einfach nur …“ Ich kann es nicht erklären.
    Er lacht und streicht mit dem Daumen über meinen Handrücken. „Du musst echt gutes Zeug genommen haben. Aber du solltest etwas vorsichtiger sein. Dieses Viertel hier ist nicht so toll. Ich meine, ich wohne hier und kenne mich aus. Aber du nicht. Ich habe dich hier noch nie zuvor gesehen. Bist du gerade erst hergezogen oder nur auf Besuch?“
    „Ich bin gerade zufällig hier vorbeigekommen.“ Das ist nicht gelogen.
    „Willst du mit reinkommen? Ich habe ein paar Freunde da, wir hängen ein wenig ab; ’ne kleine Party, wenn du so willst. Komm schon“, sagt Johnny, obwohl ich wirklich nicht überredetwerden muss, seine Einladung anzunehmen. „Du wirst Spaß haben, das verspreche ich dir.“
    Er steht auf und zieht mich mit sich auf die Füße. Die Erde wackelt nicht. Ich kippe nicht um. Mit Johnny, der meine Hand hält, werde ich nirgendwo anders hingehen als dorthin, wohin er mich führt.
    Sein Haus hier im New York der 1970er ist ein großes Sandsteingebäude und dem sehr ähnlich, das er heute in Harrisburg hat. Es ist vermutlich neuer, aber es sieht von außen nicht so hübsch aus. Innen ist es meinem so ähnlich, dass ich einen leisen, überraschten Schrei ausstoße. Die Treppe vor uns führt nach oben, ein langer, schmaler Flur geht in Richtung Küche, und ein gebogener Durchgang zu unserer

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