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Der Duft von Orangen (German Edition)

Der Duft von Orangen (German Edition)

Titel: Der Duft von Orangen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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Rechten führt ins Wohnzimmer. In der Tür hängt ein Perlenvorhang.
    Die Musik, die ich vorhin gehört habe, ist jetzt lauter. Sie kommt von oben. Ich höre auch Stimmen und rieche Hasch.
    „Komm rein.“ Johnny verschränkt seine Finger mit meinen und zieht mich den Flur entlang zur Küche, wo eine Gruppe Frauen und Männer um einen runden Tisch sitzen oder an den Arbeitsplatten lehnen und einem Mann beim Kochen zuschauen. „Möchtest du was essen? Candy kocht.“
    Beim Klang seines Namens dreht der Mann am Herd sich um und lässt beim Lächeln seine strahlend weißen Zähne aufblitzen. Er beugt den Kopf, sein Afro wackelt. Sein Nicken ist so hoheitsvoll wie das eines Königs, der einen Gast begrüßt. Sein Kochlöffel ist das Zepter. „Willkommen, Schwester. Es ist genug zu essen da, falls du Hunger haben solltest.“
    Ich habe tatsächlich Hunger, und nicht zu knapp. Mein Magen knurrt. Ich bin noch nie zuvor während einer Episode hungrig gewesen. Oh, ich habe gegessen und getrunken, aber nie, weil ich das Verlangen dazu gehabt hatte. Ich lege meine freie Hand auf meinen Magen. Meine andere Hand hält Johnny immer noch fest.
    Meine Kleidung hat sich nicht verändert. Ich schaue auf das vertraute Stückchen Stoff unter meinen Fingern. Ich trage sogar noch meinen Mantel, auch wenn er jetzt aufgeknöpft ist. KeinWunder, dass mir draußen so heiß gewesen ist. Und auch kein Wunder, dass mich alle so seltsam anschauen.
    „Den kannst du jetzt ausziehen“, bietet Johnny mir an.
    Ich nicke und lasse ihn mir von ihm abnehmen. Die Frauenbewegung mochte zwar schon im vollen Gange sein, aber Johnny ist immer noch ein Gentleman. Er hängt den Mantel an einen Haken hinter der Tür und stellt sich dann wieder neben mich. Er legt seine Hand auf meinen unteren Rücken, während alle im Raum mich schweigend mustern.
    „Das ist Emm“, sagt Johnny, als wenn er jeden Tag eine Fremde mit nach Hause bringt. Na ja, vermutlich tut er das. „Das sind Wanda, Paul, Ed, Bellina und Candy. Sagt Hallo zu Emm.“
    Das tun sie im Chor, und ich stehe einfach da und versuche, meinen Mund geschlossen zu halten. Ich erkenne weder Wanda, noch sagt mir ihr Name etwas, aber Bellina Cassidy ist eine Theaterautorin, deren Stücke mit den namhaftesten Künstlern besetzt am Broadway aufgeführt werden. Edgar D’Onofrio war ein bekannter Dichter, der irgendwann Ende der Siebziger Selbstmord begangen hat. Bei Paul handelt es sich vermutlich um Paul Smiths, den Fotografen und Filmemacher, Regisseur einer Handvoll von Johnnys frühen Filmen. Und Candy …
    „Candy Applegate?“
    Candy dreht sich grinsend zu mir um. „Genau der.“
    „Du hast ein Restaurant“, sage ich. „Und diese Kochshow im Fernsehen.“
    Gelächter erhebt sich. Ich sehe mich noch einmal um und bin mir nun sicher: Ich bin in der Enklave gelandet. Ich lecke mir über die Lippen und schmecke Schweiß.
    „Nee, Mädchen, das bin ich nicht.“ Candy schüttelt den Kopf und rührt erneut in dem Topf. Was auch immer er da kocht, es riecht ganz köstlich. „Da musst du mich mit einem anderen Candy verwechseln.“
    „Nein, ich meine dich.“ Ich halte schnell den Mund, bevor ich noch mehr sage.
    Episoden sind nicht wie Träume, die ich manchmal kontrollieren kann. Es ist mir in einer Episode noch nie gelungen, denLauf der Ereignisse zu verändern. Was bedeutete, dass sie manchmal furchterregender sind als Albträume. Und manchmal, so wie jetzt, musste ich mir einfach nur in Erinnerung rufen, dass das hier nicht die Realität ist und ich nichts dagegen tun kann. Ich könnte ihnen erzählen, dass ich die Zukunft kenne, aber dann würde ich vermutlich nur noch verrückter wirken, als ich es sowieso schon tue.
    Johnny schaut mich prüfend an. „Gib ihr was zu essen, Candy.“
    „Kein Problem“, erwidert der.
    Kurz darauf steht die dampfende Schüssel mit einem pikanten, fleischlosen Gulasch auf dem Tisch. Wir essen dazu duftenden Klebreis und dippen die Soße mit hausgemachtem Brot auf. Ich muss mich zwingen, nicht von allem mehrmals nachzunehmen. Nicht weil ich so einen Hunger habe, sondern weil es so hervorragend schmeckt.
    Wir essen alle richtig viel. Dabei wird gelacht und gescherzt. Die Leute unterhalten sich über Politik und Kunst und Musik, die ich nur aus dem Geschichtsunterricht oder dem Oldiesender im Radio kenne. Ganz beiläufig fallen verschiedene Namen – Jagger, Bowie, Lennon. Mit bloßen Händen greifen die Männer und Frauen in den Topf und essen mit den Fingern. Sie

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