Der Duft von Orangen (German Edition)
Brenner zischte und erzeugte einen Funken, doch erst als Johnny mit irgendetwas daran herumschraubte, schoss die blaue Flamme auf.
„Verdammtes Ding“, murmelte er vor sich hin.
Sprechdurchfall! So hatte Jen es genannt. Ich hatte sie damals ausgelacht, doch jetzt verstand ich sie. Ich musste die Zähne fest zusammenbeißen, um mich davon abzuhalten, einfach mit dem erstbesten dummen Gedanken herauszuplatzen, der mir durch den Kopf schoss. Ich war nur mäßig erfolgreich.
„Sie haben ein sehr schönes Haus.“
Johnny gab ein unverständliches Geräusch von sich und holte zwei übergroße Tassen aus dem Schrank. Dann öffnete er eine kleine Blechdose und füllte ein Tee-Ei. Aus einem anderen Schrank nahm er eine Porzellankanne.
„Sie haben wohl sehr viel Arbeit hineingesteckt“, fuhr ich fort.
Mein Dad sagte gerne, dass nur ein Dummkopf spricht, um die Stille zu füllen. Im Moment machte ich meinen Dad also nicht sonderlich stolz. Und Johnny schien ich auch nicht zu beeindrucken.
„Wir lange wohnen Sie schon hier?“
„Fünfzehn Jahre“, sagte er endlich, nachdem er das kochende Wasser in die Teekanne gegossen und selbige zum Tisch gebracht hatte. Er zog eine altmodische Wärmehaube darüber und stellte die Tassen daneben. Aus dem Kühlschrank holte er ein Kännchen Milch.
Johnny hatte mir Tee gekocht. Das war surrealer und schwerer zu glauben, als auf einmal mitten in den Siebzigerjahren aufzuwachen. Ich saß da, die Hände im Schoß verschränkt, und sah zu, wie er sich mir gegenübersetzte und Tee eingoss. Er gab drei Löffel Zucker und einen großzügigen Schuss Milch in eine Tasse und schob sie zu mir herüber. Ich legte meine Hände darum, wagte aber nicht, zu trinken, weil ich Angst hatte, mir den Tee über die Bluse zu schütten und mich vor seinen Augen zum vollkommenen Trottel zu degradieren.
„Es ist wirklich nett“, sagte ich. „Also das Haus.“
Er schaute mich an. „Trinken Sie Ihren Tee.“
Ich pustete ein wenig und nippte vorsichtig. Er war perfekt, genau wie ich ihn mir auch immer machte. Mein Magen beruhigte sich. Dann knurrte er.
Johnny hatte noch nicht getrunken. Er stand auf, holte aus dem Brotkasten eine Packung Kekse und stellte sie auf den Tisch. „Brauchen Sie mehr Zucker?“
„Nein, danke. Alles prima.“
Er nahm einen Keks aus der Packung, legte ihn vor mich hin. „Essen Sie den.“
Wenn er es mit einem Lächeln gesagt hätte, schmeichelnd, wäre ich seiner Anweisung gefolgt. Es war meine Lieblingssorte, außerdem hatte ich Hunger und gierte nach Zucker. Aber etwas an seinem Ton und Blick ließ mich störrisch werden.
„Nein, danke.“
Johnny zuckte mit den Schultern und nahm sich selber einen Keks. Er hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und drehte ihn hin und her wie ein Magier, der sich darauf vorbereitete, einen Münztrick zu zeigen. Er betrachtete ihn, dann schaute er mich an. Der Keks krümelte, als er hineinbiss. Er leckte sich die Krümel von den Lippen. Ich musste mich sehr auf die Tasse Tee in meinen Händen konzentrieren. Die Flüssigkeit vibrierte wie in dem Wasserglas in der Szene von Jurassic Park , wenn sich der T. Rex nähert. Ich war mir allerdings relativ sicher, dass es hier keine Dinosaurier gab.
„Bedienen Sie sich“, sagte er.
Es wäre dumm, den Keks nicht zu essen, also gab ich nach. Die Süße explodierte auf meiner Zunge, und auch wenn es vielleicht nur ein Placeboeffekt war, beruhigte sich mein Magen sofort, und mein Kopf wurde wieder klar. Ich leckte mir die geschmolzene Schokolade von den Fingerspitzen und trank einen großen Schluck Tee.
Die Episode verblasste, die Erinnerung an Johnnys Geschmack wurde von Tee und Schokolade verdrängt. Ich wollte die Empfindungen nicht gehen lassen, aber sie wurden immer flüchtiger und ließen sich nicht mehr festhalten. Mit einem Seufzer nahm ich einen weiteren Keks.
„Die sind nicht sonderlich gut.“ Johnny sagte das nicht entschuldigend, sondern als schlichte Tatsache. „Selbst gemacht schmecken sie besser.“
„Selbst gemacht schmeckt’s immer besser“, stimmte ich zu. „Aber ich schätze, man muss nehmen, was man kriegen kann, oder?“
„Ja.“ Er zeigte nicht den Hauch eines Lächelns, sondern lehnte sich nur in seinem Stuhl zurück, der Blick verschlossen, die Lippen zwei gerade Striche. „Sie haben wieder ein wenig Farbe in den Wangen.“
„Ich fühle mich auch schon wohler. Vielen Dank. Das war genau, was ich gebraucht habe.“ Ich hob die Tasse und zeigte auf
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