Der Duft von Orangen (German Edition)
ins Vergessen abdriften könnte …wollte ich nicht, dass die Episoden aufhörten.
Ich mochte es, mich an einem Ort zu befinden, an dem jemand wie Johnny Dellasandro auf mich stand, wo ich mir keine Sorgen über Kondome und Schwangerschaften machen musste oder darum, meine Beine zu rasieren. Oder Rechnungen zu bezahlen und Sport zu treiben. Aber am meisten genoss ich es, an einem Ort zu sein, an dem Johnny mich überall mit seinen Händen und Lippen berührte, an dem er seinen köstlichen Schwanz in mich hineinstieß, an dem ich ihn anfassen und küssen konnte und wusste, dass er mich genauso sehr begehrte wie ich ihn.
Im Moment wollte ich allerdings mehr als alles andere eine heiße Dusche. Ich blieb lange unter dem prasselnden Wasserstrahl stehen und fühlte mich danach nur wenig besser. Ich kämmte mir die Haare, cremte mein Gesicht ein. Zog ein verblichenes T-Shirt über, das mir bis zur Mitte der Oberschenkel reichte und so dünn war, dass es sich an jede üppige Kurve von mir schmiegte, die der Spiegel mir so großzügig zeigte. Ich betrachtete mein Spiegelbild, stellte mich seitlich, fuhr mit meinen Händen über Brüste und Bauch und Hüfte. Ich wollte niemals an den Punkt kommen, wo ich meinen Körper hasste, wie so vielemeiner Freundinnen es taten, weil sie sich von den Fernsehserien und Zeitschriften dazu gedrängt fühlten.
„Mach mehr Sport“, riet ich mir und zog Bauch und Wangen ein, um die Illusion eines schlankeren Ichs heraufzubeschwören. Doch ich wusste, ich würde nicht mehr Sport treiben. Und selbst wenn, gäbe es immer einen Muffin zu viel im Mocha , einen Löffel zu viel Zucker im Kaffee … weil Zucker und Koffein das schafften, was Tabletten nur mit mäßigem Erfolg gelungen war.
Das Wasser aus meinen nassen Haaren lief mir kalt über den Rücken. Ich zitterte und schlüpfte in ein Sweatshirt vom Lebanon Valley College und ein Paar dicker, selbst gestrickter Socken in Regenbogenfarben. Dann ging ich in die Küche, um mir ein bis drei Becher heiße Schokolade zu machen. Vor mir lag die Aussicht auf ein Buch und mein Bett und vielleicht meinen Laptop, auf dem parallel ein Film lief. Ein ruhiger Abend zu Hause.
Es klingelte an der Tür. Anfangs traute ich meinen Ohren nicht. Ich war überzeugt, es müsse bei den Nachbarn gewesen sein, auch wenn ich unsere Klingeln noch nie zuvor verwechselt hatte. Als es erneut klingelte, gefolgt von einem Klopfen, nahm ich mein Handy, bereit, bei Bedarf den Notruf zu wählen.
Ich hatte eindeutig zu viele Horrorfilme gesehen.
Meine Tür hatte keinen Spion, oder wie dieses Guckloch auch immer hieß, aber ein nerviges und nutzloses Sprossenfenster viel zu hoch über ihr. Ich hatte mir fest vorgenommen, es so schnell wie möglich auszutauschen, was mir jetzt aber auch nichts nutzte, als ich mit nassen Haaren und ohne Hose in meinem Foyer stand, während der nächtliche Himmel sich durch die Glasscheiben drückte und ein Fremder hartnäckig weiterklopfte.
Mit dem Handy in der Hand löste ich die Kette und den Verriegelungsbolzen. Ich öffnete die Tür ein Stück. Und schwang sie dann weit auf.
„Hey.“ Johnny sah unglaublich unbehaglich und gleichzeitig umwerfend aus in seinem langen schwarzen Mantel und dem Schal, der in mir den Wunsch auslöste, mich hineinzukuscheln.
Ich fand meine Stimme schneller wieder als erwartet. „Hey.“
Wir schauten einander an, keiner rührte sich.
„Kann ich reinkommen? Es ist arschkalt hier draußen.“
„Ich … äh. Ja. Klar. Sicher.“ Ich trat beiseite, um ihn hereinzulassen. Er brachte einen Hauch schneeflockenkalte Luft mit sich. Ich schloss die Tür hinter ihm.
Er drehte sich zu mir um. „Ich weiß, es ist schon spät.“
„Ach, so spät ist es doch noch gar nicht. Es wird nur so früh dunkel. Wirklich, kein Problem.“ Ich zwang mich, den Mund zu halten.
Warum konnte ich in Gegenwart des echten, heutigen Johnnys nicht genauso sein wie mit seinem imaginären Gegenstück aus der Vergangenheit? Wo war der Vamp, die Sirene, die wusste, wie man flirtete und die Situation unter Kontrolle hatte? In dieser Welt stand ich einfach nur da und starrte ihn an, während ich leise vor mich hin fluchte. „Ach, was soll’s.“
„Macht es dir was aus, wenn ich meinen Mantel ausziehe?“
„Oh, nein. Gar nicht. Ich hänge ihn schnell auf.“ Seit dem Vorfall im Büro war auch das förmliche Sie zwischen uns weggefallen. Ich nahm seinen Mantel und wusste nicht, wohin damit. Unsere Blicke trafen sich. Die Stille
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