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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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Wohnt sie dort?«
    Die Frau steckte das Amulett wieder in ihre Kaftantasche, trat einen Schritt zurück und schlug das Tor zu.
    Ich ging zu dem Tor. Es war in einem leuchtenden Goldgelb gestrichen so wie viele andere auch, der Farbe von Safran. Ein schwerer Türklopfer aus angelaufenem Messing in Gestalt einer Hand war an der Tür angebracht, ein hamsa. Auch das war nichts Ungewöhnliches, hatte ich doch einige dieser Türklopfer auf meinem Streifzug durch die Medina gesehen. Ich wusste, dass es sich dabei auch um ein Amulett handelte, das vor den Dschinn und dem bösen Blick schützen sollte.
    Mit flatterndem Atem stand ich vor dem Tor. Sollte ich Manon endlich gefunden haben? Ich hob die Hand, um den Türklopfer zu betätigen, um sie sogleich wieder sinken zu lassen.
    Was, wenn Etienne die Tür öffnete? Aber hatte ich mir nicht die ganze Zeit genau das erhofft? Hatte ich nicht diese strapaziöse Reise aus diesem Grund auf mich genommen? Hatte ich seit seinem mysteriösen Verschwinden nicht ständig Angst gehabt und mich schrecklich allein gefühlt? Hatte ich mich auf meiner Reise nicht mehr als einmal gefragt, ob ich je Marrakesch erreichen würde, und wenn ja, ob ich Etienne tatsächlich fände?
    Und nun war der Moment gekommen.
    Und ich hatte entsetzliche Angst.
    Was, wenn er mich nur anschaute, die Stirn runzelte und den Kopf schüttelte, mich fragte, was mir denn eingefallen sei, einfach hierherzukommen, und mich dann fortschickte? Mir ins Gesicht sagte, dass er mich nicht mehr wollte. Und was – wenn ich versuchte, mit ihm zu reden, ihm zu sagen, dass ich es ihm nicht übel nähme, dass er mich verlassen hatte, dass ich ihm verzeihen könne, dass das, was er vor mir verbarg, gewiss nicht so schlimm sein könne –, ja, was, wenn er mir dann einfach die Tür vor der Nase zuschlug?
    Nein. Etienne wäre nicht in der Lage, mir das anzutun. Nicht Etienne.
    Und was, wenn Manon aufmachte? Was, wenn das, was sie mir über ihren Bruder zu sagen hatte, unerträglich für mich wäre?
    Ich rang nach Luft. In meinen Ohren dröhnte es laut, und das safranfarbene Tor wurde heller und heller, bis es sich in ein gleißendes Licht verwandelte. Ich legte die Hand auf das Holz, um mich zu stützen, doch ich zitterte so stark, dass ich mich mit der Schulter daranlehnen musste und die Augen schloss. Ich wollte nicht hier sein, nicht jetzt. Ich brauchte noch etwas Zeit. Ich würde morgen wiederkommen, überlegte ich, wenn ich mich wieder in der Gewalt hatte. Es war genug für einen Tag, dass ich Manons Adresse gefunden hatte. Ich brauchte noch einen Tag, ehe ich ihr gegenübertrat. Oder Etienne.
    Endlich öffnete ich wieder die Augen, und das Rauschen in meinen Ohren ließ nach. Ich richtete mich auf, warf einen letzten Blick auf das Tor und wandte mich zum Gehen.
    Als ich etwa die Mitte der Gasse erreicht hatte, blieb ich stehen. Es war nun mehr als einen Monat her, dass ich Albany verlassen hatte. Ich hatte genug Zeit gehabt. Ich war doch kein Feigling – hatte ich das auf meiner Reise nicht mehr als einmal bewiesen?
    Ich ging zu dem Tor zurück. Unwillkürlich legte ich das Ohr an das Holz, hörte aber nichts.
    Schließlich hob ich das schwere hamsa und klopfte dreimal fest an die Tür.

ZWANZIG
    V on jenseits der Tür war nichts zu hören. Ich klopfte nochmals, fester diesmal, und schließlich hörte ich Schritte, und die Tür öffnete sich knarrend.
    Eine Frau, die ihren haik vor dem Gesicht zusammenhielt, spähte durch den Türspalt. Sie hatte breite, dunkle Augen und blinzelte überrascht, als sie mich sah. In einer Hand hielt sie einen Metalleimer, in dem sich ein mit einem Lappen umwickelter Stock befand. Von dem Eimer tropfte eine weißliche Brühe auf den Boden. Ich nahm an, dass sie eine Bedienstete war.
    » Bonjour, Madame «, sagte ich, in der Hoffnung, dass sie Französisch verstand. » Ich hätte gern Madame Maliki gesprochen.« Der frische Geruch von Kalktünche stieg mir in die Nase.
    Da sie nicht antwortete, nahm ich an, sie habe mich nicht verstanden. Also grüßte ich sie auf Arabisch – assalam aleikum – und nannte abermals den Namen Manon Maliki.
    Sie sah mich noch immer an, und ihre Augen waren jetzt seltsam ausdruckslos und nicht mehr so lebhaft wie zuvor. Ich war froh, dass sie nicht ebenfalls zu einem Amulett griff wie die andere Frau zuvor. Einen Augenblick lang fragte ich mich, ob sie ein wenig einfältig sei. Doch obwohl sie nichts sagte, sondern nur mein Gesicht musterte, konnte ich an ihren

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