Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
diese Frau hier konnte unmöglich Etiennes Schwester sein. Sie war eine marokkanische Hausangestellte. Und nun? Wie sollte ich Etienne nun finden?
» Sie suchen jemand anderen?«, fragte die Frau. » Aber Sie sagten, Sie wollten mit Manon Maliki sprechen. Und das bin ich.«
» Nein. Die Frau, die ich suche, ist …« Ich hielt inne, um meine Worte mit Bedacht zu wählen. » Man hat mir eine falsche Auskunft gegeben.« Ich blickte zu dem safranfarbenen Tor und ging darauf zu. » Tut mir leid, Sie gestört zu haben.«
» Warum suchen Sie diese Frau?« Ihre langen, anmutigen Hände lagen mit der Innenseite nach oben auf den Schenkeln des Kindes, als wollte sie den kleinen Körper nicht berühren.
» Sie ist die Schwester von einem … Freund.«
» Wessen Schwester?«
Ich war irritiert von ihrer unverblümten Art, mich auszufragen. Ich wollte jetzt nur noch weg von diesem Ort, obwohl ich ja diejenige war, die um Einlass gebeten hatte. Ich befand mich im Innenhof ihres Hauses. Also kam ich nicht umhin, ihre Frage zu beantworten. » Die Manon, die ich suche, ist die Tochter von Marcel Duverger«, sagte ich. » Jemand im Souk sagte mir, dass sie Manon Maliki heiße.«
Sie saß unbeweglich da. Das Kind widmete sich noch immer seinem Fadenspiel, die schwarzen Augen auf mich geheftet. Das Mädchen kauerte nun mit offenem Mund im Hauseingang und beobachtete uns. Wieder war der Schrei der Zikade zu hören.
» Das stimmt. Ich bin die Tochter von Marcel Duverger.«
» Aber … wenn Sie Manon … Entschuldigung, Madame«, sagte ich. » Es ist nur so, dass ich … ich …« War die Frau, die dort saß, nicht eine Marokkanerin? » Die Frau, die ich suche, ist Dr. Duvergers Schwester«, sagte ich schließlich.
Die Frau schwieg einen Moment lang, dann erwiderte sie: » Woher kennen Sie Etienne?«
Die vertraute Art, wie sie Etienne gesagt hatte, ließ mich zusammenzucken. » Sie sind seine Schwester?« Ich ließ mich schwer auf den Hocker sinken.
Sie nickte.
Obwohl ich im Schatten saß, war es sehr heiß. Die Zikade schrie unaufhörlich. Ich wollte den Mund öffnen, um etwas zu sagen, doch meine Lippen klebten zusammen. Ich versuchte, sie zu befeuchten, aber mein Mund war zu trocken. » Ist … ist er hier?« Ich starrte sie an, als könnte ich sie dazu bewegen, zu nicken und zu sagen: Ja, er ist hier.
Die Frau hob die Hände und zog den haik vom Kopf, sodass ich ihr langes Haar sehen konnte, das ihr schwer auf die Schultern fiel. Es war dunkel und gewellt wie meines, aber bereits von ein paar weißen Fäden durchzogen. Unter dem haik trug sie einen violetten Kaftan.
» Sind Sie aus England? Oder Amerika? An Ihrem Akzent kann ich es nicht erkennen.«
» Aus Amerika«, sagte ich.
» Bring unserem Gast Wasser, mon cher garçon«, sagte Manon zu dem Kind – also war es ein Junge –, woraufhin er von ihrem Schoß glitt und beschwingt durch den Hauseingang lief. Als er an seiner Schwester vorbeischlüpfte, legte er ihr kurz die Hand auf die Schulter. » Falida, geh mit ihm hinein und hilf ihm«, sagte Manon. Das Mädchen sprang sofort auf die Füße und verschwand hinter ihrem Bruder im Haus.
Ich sah auf meine Hände, die ineinander verkrampft in meinem Schoß lagen, und lauschte dem Klappern von Geschirr und Plätschern von Wasser, das nun aus dem Haus drang. Kurz darauf kehrte der Junge zurück und durchquerte den Hof, indem er vorsichtig mit beiden Händen eine Blechtasse vor sich hertrug. Ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten, hielt er mir stolz die Tasse hin. Ich trank; das Getränk war kühl und erfrischend und schmeckte nach Zitrone.
Badou wartete vor mir; ich reichte ihm die leere Tasse, er nahm sie und lief damit ins Haus zurück. Während ich ihm hinterhersah, ging mir durch den Kopf, dass Manon Maliki zu alt wirkte, um ein so kleines Kind zu haben. Er konnte kaum älter als fünf sein. Und dann dachte ich, wie alt ich wohl ausgesehen hätte, wenn mein Kind … Ich verscheuchte den Gedanken.
» Suchen Sie Etienne schon lange?«
Ich nickte und schloss einen Moment lang die Augen. » Zuerst habe ich ein paar Tage lang im Französischen Viertel nach ihm gesucht.«
» Und davor?«
Ich runzelte die Stirn und warf einen verstohlenen Blick zum Haus. Warum sagte sie mir nicht, wo er war? » Madame. Ist Etienne hier, in Marrakesch? Bitte, Madame Maliki, ich muss es wissen.« Meine Stimme war lauter als gewollt und hatte einen scharfen Ton angenommen. Irgendetwas an dieser Frau irritierte mich. Ich mochte sie
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