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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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länger in die Augen sehen und senkte den Kopf. Statt ihn zu beschämen, was meine Absicht gewesen war, hatte er mich beschämt. Plötzlich wurde mir klar, wie er mich sehen musste. Als eine Frau, die geduldig auf einen Mann wartete, der … Mir war schwindelig. Die Sonne blendete mich, ließ alles um mich herum zu klar, zu transparent erscheinen.
    Den Blick noch immer gesenkt, sagte ich: » Tut mir leid. Ich habe kein Recht, Sie zu kritisieren. Tut mir wirklich leid, aber ich bin … ich bin wütend. Von dem langen Warten, und jetzt …«
    » Ich verstehe«, sagte er, und ich sah ihn wieder an. Tat er das wirklich? Seine Stimme klang ein wenig gepresst, seine Züge waren angespannt.
    » Da ist noch etwas«, sagte ich, nicht wissend, wann ich ihn wiedersehen würde. Es war mir klar, dass ich meinen Lebensstil abermals ändern musste, wenn ich noch länger in Marrakesch bleiben wollte.
    » Ja?«
    » Ich suche eine andere Übernachtungsmöglichkeit. Können Sie mir vielleicht helfen, ein Zimmer zu finden?«
    » Aber hier in der Ville Nouvelle gibt es etliche Hotels für Ausländer, Menschen wie Sie. Und warum wollen Sie nicht in diesem Hotel bleiben?«
    » Weil es mir nicht mehr gefällt.«
    » Es gefällt Ihnen nicht mehr?«
    » Hier darf ich keine marokkanische Kleidung tragen. Man hat mich aufgefordert, es zu unterlassen.« Es war mir peinlich, ihm gegenüber zuzugeben, dass mir auch das Geld ausging.
    »Aber warum tragen Sie nicht Ihre westliche Kleidung? Überhaupt, warum ziehen Sie sich plötzlich wie eine Marokkanerin an?«
    » Mit diesen Sachen« – ich zeigte auf meinen haik – » kann ich mich freier in der Stadt bewegen.«
    Er schüttelte den Kopf. » Das verstehe ich nicht. Und wie kann ich Ihnen helfen?«
    Ich beschloss, aufrichtig mit ihm zu sein. » Die Wahrheit ist, Aszulay, dass ich es mir nicht mehr leisten kann, in einem der Hotels im Französischen Viertel zu wohnen. Vielleicht kennen Sie ja ein Haus in der Medina, wo ich ein günstiges Zimmer bekommen könnte.«
    Er wirkte überrascht. » Aber die Medina ist kein Ort für eine Frau wie Sie. Dort leben nur Marokkaner. Sie sollten bei Ihresgleichen wohnen.«
    Ohne nachzudenken antwortete ich: » Mir gefällt es aber in der Medina.« Und das stimmte auch, wie mir jetzt klar wurde. Seit ich mich so kleidete, dass ich in der Menge nicht länger auffiel, fühlte ich mich auf eine Art lebendig, wie ich es nie zuvor empfunden hatte.
    » In der Medina gibt es keine Hotels. Wenn Marokkaner aus anderen Städten zu Besuch kommen, wohnen sie bei Verwandten oder Freunden.«
    » Ich brauche nur ein Zimmer. Ein Zimmer, Aszulay.«
    » Nein, das ist unmöglich«, sagte er kopfschüttelnd.
    » Es ist unmöglich, ein Zimmer zu finden? Ich würde niemanden stören, ich würde …«
    » Sie müssen versuchen, die Gepflogenheiten des Landes zu verstehen. Eine Frau, eine nasarini, allein in einem muslimischen Haus. Das gehört sich nicht.«
    Eine nasarini, eine Nazarenerin – eine Christin, wie man hierzulande Ausländerinnen nannte. Ich hatte dieses arabische Wort schon mehrmals in den Souks aufgeschnappt.
    Mir war nie der Gedanke gekommen, dass meine Anwesenheit in einem Haus in der Medina die Menschen vor ein Problem stellen könnte. » Dann kann ich nicht länger in Marokko bleiben. Meine ganze Reise wird umsonst gewesen sein. Dabei bin ich so kurz vor meinem Ziel, Aszulay. Ich weiß, dass Sie der Meinung sind, ich sollte nicht mehr warten, aber …«
    Immer wieder gingen Menschen an uns vorbei, während wir vor dem Hotel standen.
    » Bitte«, sagte ich schließlich. » Ich kann nicht mehr nach Hause zurückkehren. Verstehen Sie doch, wie wichtig es für mich ist. Haben Sie noch nie …« Ich hielt inne. Beinahe hätte ich gesagt: Haben Sie noch nie jemanden so sehr geliebt, dass Sie alles für ihn getan hätten? Aber wie kam ich dazu, vor ihm mein Herz zu öffnen? Was wusste ich schon über diesen Mann und seine Gefühle?
    » Ich werde sehen, was ich tun kann, Sidonie«, sagte er, doch er wirkte alles andere als zuversichtlich.
    » Danke«, sagte ich erleichtert und berührte unwillkürlich seinen Handrücken als Geste meiner Dankbarkeit.
    Er blickte hinab, ebenso wie ich; meine Finger auf seiner Hand wirkten klein. Ich zog sie rasch zurück, und er sah mir wieder ins Gesicht.
    Nun bereute ich, so kühn gewesen zu sein. Offensichtlich hatte ich ihn in eine unangenehme Situation gebracht. Erst später wurde mir bewusst, dass er mich die ganze Zeit über Sidonie

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