Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
genannt hatte.
Als mich Aszulay zwei Tage später zu dem Haus in der Sharia Soura brachte, wirkte der Besitzer alles andere als zufrieden. Er trug eine dschellaba, deren Ärmel er ein Stück weit hochgerollt hatte, sodass die welke Haut seiner Arme entblößt wurde. Aszulay hatte mir gesagt, dass es noch nicht sicher sei, ob ich tatsächlich dort wohnen könne. Aber dieser Mann, ein Freund von ihm, sei möglicherweise bereit, mich für kurze Zeit bei sich aufzunehmen.
Es war am frühen Abend, und während wir im Innenhof standen – mein Gesicht war hinter einem Schleier verborgen, sodass nur meine Augen herausschauten –, sah mich der Mann misstrauisch an. Unwillkürlich senkte ich den Blick, wie es für eine Frau hierzulande üblich war. Als ich es wagte, ihn flüchtig wieder zu heben, sah ich, wie er den Kopf schüttelte.
Aszulay unterhielt sich mit ihm unaufgeregt auf Arabisch. Eine Weile ging es hin und her, bis ich begriff, dass es das übliche Gefeilsche über den Preis war, das ich von den Märkten kannte. Nur dass es diesmal um mich ging.
Aszulay behielt die ganze Zeit seinen ruhigen, festen Ton bei, bis der Mann schließlich in einer Geste der Resignation die Arme hob und sie wieder fallen ließ. Aszulay nannte mir den Wochenpreis für Kost und Logis; es war nur ein Bruchteil dessen, was ich für eine Nacht in dem schäbigen Hotel bezahlt hatte. Ich nickte, woraufhin Aszulay meine Koffer nahm und sie ins Haus hineintrug. In der einen Hand die gewebte Tasche mit meinen Malutensilien und in der anderen die Staffelei, folgte ich ihm.
Durch den abrupten Wechsel vom hellen Sonnenlicht zu dem Halbdunkel des Flurs hatte ich einen Moment lang das Gefühl, blind zu sein. Während ich hinter Aszulay eine Treppe hinaufstieg, heftete ich den Blick auf seine Füße, die in gelben babouches steckten. Die Treppe war eng und steil, und mein rechtes Bein schmerzte vor Anstrengung, während ich die hohen gefliesten Stufen erklomm. Als wir oben ankamen, tauchte eine Katze lautlos wie aus dem Nichts auf und sprang an mir vorbei die Treppe hinunter.
Aszulay öffnete eine Tür und stellte meine Koffer in die Mitte des Zimmers. Dann drehte er sich zu mir um.
» Ist es in Ordnung?«, fragte er, und ich nickte, obwohl ich noch nicht einmal dazu gekommen war, mich umzusehen. Doch ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte. Ein angenehmer würzig-frischer Duft nach Holz lag im Raum.
» Ja. Ja, es ist wunderbar, Aszulay. Vielen Dank.«
» Es gibt zwei Ehefrauen. Sie werden Ihnen morgens Tee und Brot bringen und mittags und abends ein warmes Essen. Neben der Küche befindet sich eine Toilette.«
Ich nickte.
» Aber bitte denken Sie daran, dass Sie sich hier nicht so frei bewegen können wie in einem Hotel. Und ohne männliche Begleitung sollten Sie das Haus nicht verlassen. Mein Freund weiß zwar, dass Sie keine Muslima sind, aber wenn Sie hier wohnen wollen, müssen Sie sich wie eine muslimische Frau verhalten, sonst verletzen Sie ihn in seiner Ehre. Er hat zwei Söhne, von denen einer gern bereit ist, Sie draußen zu begleiten. Und falls die Frauen es erlauben, können Sie ihnen ein wenig bei der Hausarbeit zur Hand gehen, wobei ich vermute, dass sie das nicht wollen.«
» Warum denn? Ich bin nicht …«
» Weil Sie sie als Rivalin betrachten, als mögliche dritte Ehefrau. Gleich, was ihr Mann ihnen erzählt, sie werden ihm nicht glauben. Seine zweite Frau ist vor ein paar Monaten gestorben, das hier war ihr Zimmer. Also wissen sie, dass er sich nach einer anderen Frau umschaut. Gehen Sie ihnen aus dem Weg, es sei denn, sie laden Sie ein, sich zu ihnen zu gesellen. Darra marra kif defla«, sagte er auf Arabisch. » Das ist ein arabisches Sprichwort, das besagt, wenn eine neue Frau ins Haus kommt, ist es für sie bitter wie Oleander. Die Frauen ersinnen manchmal allerlei Mittel, um zu verhindern, dass sich ihr Mann eine weitere Frau nimmt. Wenn der Mann ins Zimmer kommt, in dem Sie sich mit den beiden Frauen aufhalten, drehen Sie das Gesicht zur Wand, sodass er Sie nicht anschauen kann. Er vermietet Ihnen das Zimmer nur, weil er mir einen Gefallen schuldet, aber glücklich ist er mit dieser Lösung nicht. Also, bitte, vermeiden Sie es, irgendetwas zu tun, was seinen Unmut hervorrufen könnte.« Er hielt kurz inne. » Er sagte, es sei gut, dass Sie nicht wie eine Ausländerin aussehen. So kann er den Nachbarn erzählen, dass Sie eine entfernte Cousine seiner jüngsten Frau sind.«
» Danke, dass Sie mir dieses Zimmer
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