Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
ihren Töchtern. Die kleinen Mädchen waren zunächst schüchtern, stellten mir dann aber Fragen, wie ich ihrem Ton entnehmen konnte. Immer wieder sah ich hilfesuchend zu ihrer Mutter, doch ihr Französisch war nicht gut genug, um auch nur die einfachsten Sätze zu übersetzen. Zusammen gingen wir zum Bach, und Zohra balancierte einen Korb voll Wäsche auf dem Kopf. Ich sah zu, wie sie und die Mädchen die Wäsche an die Felsen schlugen. Als ich anbot, ihnen zu helfen, schüttelte Zohra den Kopf. Während sie mit den anderen Frauen plauderte, saß ich auf dem Felsen und ließ den Blick über die terrassierten Hänge schweifen.
Es herrschte ein reines Licht, und als ich zu dem flirrenden Grün der Felder blickte, hatte ich einen Moment lang das Gefühl, einer Fata Morgana beizuwohnen. Hie und da machten sich Männer auf einem Feld zu schaffen. Sie waren zu weit weg, um jemanden zu erkennen, doch ich wusste, dass einer davon Aszulay war. Die Szenerie hatte etwas Magisches, und mit einem Mal wurde mir bewusst, wie sehr sich das Leben dieser Dorfbewohner doch von der Wirklichkeit unterschied, die ich bisher gekannt hatte.
Wir kehrten zum Haus zurück und überließen die auf den Felsen ausgebreitete Wäsche sich selbst. Aszulays Mutter saß mit dem Rücken zur Wand in der Sonne und verlas Oliven aus einem Korb. Als sie uns sah, stand sie auf und ging nach drinnen, um kurz darauf mit einem prächtigen Schal zurückzukommen, der am Rand mit delikaten Blumenranken und bunten Blüten bestickt war. Sie hielt ihn mir hin.
Ich betrachtete ihn und fuhr mit den Fingern über die Stickerei. » Er ist wunderschön«, sagte ich, obwohl ich wusste, dass sie mich nicht verstand, doch bestimmt konnte sie meine Freude an meinen Gesten und meinem Lächeln ablesen.
Sie drückte ihn mir in die Hand.
» Pour vous«, sagte Zohra. Für Sie. » Cadeau.« Ein Geschenk.
Ich konnte es unmöglich ablehnen, wenn ich sie nicht beleidigen wollte. Also nahm ich den Schal, drückte ihn an die Brust und sah Aszulays Mutter freudestrahlend an. Dann drapierte ich ihn um Kopf und Schultern, und sie nickte zufrieden.
Plötzlich trat Aszulay aus dem Haus. Er blieb stehen und musterte mich, dann nickte auch er, und die Andeutung eines Lächelns umspielte seine Lippen. Offensichtlich gefiel ihm, was er sah, und ein merkwürdiges Gefühl überkam mich. Ich rief mich wieder zur Vernunft.
Er war verheiratet, auch wenn er mich immer noch nicht seiner Frau vorgestellt hatte, der jungen Frau mit den schmalen Handgelenken, die neben ihm am Feuer gesessen hatte. Noch in der Nacht zuvor hatte ich mir ihre erhitzten Körper unter der Wolldecke und den Ziegenhäuten ausgemalt und wie er ihr zärtliche Worte beim Liebesspiel zuflüsterte.
Und wie er mich hinterher in den Armen hielt, nein, schalt ich mich. Wie er seine Frau hielt, nicht mich.
Natürlich war nicht er es gewesen, der beim Feuer geschlafen hatte.
Ich wich seinem Blick aus.
» Aszulay?«
Wir hatten eine Stunde zuvor das Dorf verlassen und schwiegen, während wir langsam über die Piste ruckelten. Etwas hatte sich seit diesem Besuch in Aszulays Dorf zwischen uns verändert. Die Art, wie er mich in der Nacht zuvor beim Feuer angeschaut, wie er an diesem Morgen meine kohlumrandeten Augen gemustert und mich später dann angesehen hatte, als ich mit dem Schal von seiner Mutter vor dem Eingang stand … Ich war mir sicher, dass nicht nur ich so empfand. Die Ungezwungenheit, mit der wir uns auf der Hinfahrt unterhalten hatten, war wie weggeblasen. Ich wollte etwas sagen, wusste aber nicht, was. Ich wollte, dass er etwas sagte.
Badou war durch die Öffnung in der Segeltuchbespannung auf die Ladefläche geklettert. Ich hatte ein paar französische Kinderbücher mitgebracht und sie ihm nach hinten gegeben. Nun blätterte er bedächtig in einem Buch.
Schließlich wiederholte ich: » Aszulay?«, und er sah mich an.
Ich musste einfach über sie reden. »Deine Frau, ich habe sie gesehen, als du mit ihr am Feuer gesessen hast. Sie ist sehr hübsch.«
Ein merkwürdiger Ausdruck huschte über sein Gesicht, doch im selben Moment wurde seine Miene ausdruckslos. Seine Kiefermuskeln spannten sich an, und instinktiv wusste ich, dass es ein Fehler war, ihn darauf anzusprechen.
» Tut mir leid, Aszulay. Habe ich … etwas Falsches gesagt?«
Er nahm den Blick von der Fahrbahn und sah mich an. » Die Frau – das war einfach nur eine Dorfbewohnerin. Ich kenne sie seit vielen Jahren.« Er schluckte. » Ich habe keine
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