Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
woraufhin Aszulay nickte, offensichtlich hatte er verstanden.
Badou kletterte über die Rücklehne auf meinen Schoß.
» Ihr müsst die ganze Zeit eine Hand am Wagen lassen«, sagte Aszulay, als ich die Tür aufstieß und hinauskletterte.
Kaum hatte ich Badou auf den Boden gestellt, stellte sich Badou mit dem Gesicht zum Lastwagen hin und hob seine dschellaba an.
» Ich gehe nur eben am Lastwagen entlang nach hinten, Badou«, erklärte ich. » Warte hier auf mich, ja?« Ich musste fast schreien, damit er mich hören konnte. Mit einer Hand tastete ich mich an der Karosserie entlang nach hinten, so wie Aszulay mich angewiesen hatte. Ich musste mit meinem Kaftan kämpfen, den der Wind um meinen Körper peitschte.
Es dauerte höchstens eine Minute, doch als ich wieder an der Beifahrertür ankam, war Badou nicht mehr da. In der Annahme, dass er bereits wieder eingestiegen sei, zog ich die Tür auf und kletterte hinein. Ich streifte mir das Haar aus dem Gesicht und rieb mir die Augen.
» Wo ist er?«, fragte Aszulay, und ich sah ihn blinzelnd an.
» Wie, ist er denn nicht eingestiegen?« Ich kniete mich auf den Sitz und schob den Segeltuchvorhang beiseite, doch Aszulay hatte bereits die Fahrertür aufgestoßen. » Ich habe ihn nur eine Minute allein gelassen … ich dachte, er sei …«
» Bleib hier drinnen!«, schrie Aszulay gegen den Wind an.
» Nein, ich komme …«
» Ich sagte, du sollst im Wagen bleiben«, brüllte er jetzt und knallte die Tür zu. Ich setzte mich wieder auf meinen Platz und starrte reglos durch die Windschutzscheibe, ohne irgendetwas zu sehen. Sicher war Badou zum Vorderteil des Lastwagens gegangen. Oder ich hatte ihn einfach nicht bemerkt, als ich mich wieder am Lastwagen entlang zur Beifahrertür zurückgetastet hatte. Wahrscheinlich kauerte er beim Vorderrad, um sich vor dem Sand zu schützen, und wartete auf mich. Gleich würde Aszulay mit ihm einsteigen.
Doch nach einer Weile war Aszulay noch immer nicht da. Mein Herz pochte wie wild. Wie hatte ich Badou nur allein lassen können, wenn auch nur für einen Moment? Ich, die ich Manon dafür anprangerte, eine schlechte Mutter zu sein – und was hatte ich getan? Ich schlug die Hände vor den Mund.
Dann schloss ich die Augen und faltete die Hände vor meinem Gesicht, während ich mich vor und zurück wiegte und immer wieder murmelte: » Bitte, lieber Gott, lass ihn Badou finden, lass ihn Badou finden, lass ihn Badou finden.«
Doch sie kamen nicht zurück.
Es wurde immer dunkler. Ich weinte, ich betete, ich schlug den Kopf gegen das Beifahrerfenster. Wie hatte ich nur so dumm sein können! Konnte Badou denn auch nur für kurze Zeit in diesem Sand, in diesem Staub da draußen überleben, würde er nicht nach wenigen Minuten ersticken? Und Aszulay. Im Geiste sah ich ihn draußen herumirren, während er nach Badou rief und der Wind ihm den Namen von den Lippen riss. Kurz zuvor hatte er mir erzählt, dass er seine zwei Kinder verloren hatte. Und nun …
Ich konnte es nicht länger ertragen und legte die Hand auf den Türgriff. Ich würde aussteigen und nach Badou suchen. Es war meine Schuld, aber ich würde ihn finden. Doch gerade als ich den Griff hinunterdrücken wollte, rief ich mir ins Gedächtnis, wie Aszulay mich angeschrien hatte, ich solle gefälligst im Wagen bleiben. Und da wusste ich, dass er recht hatte. Es wäre noch idiotischer von mir, wenn ich den Lastwagen verließ und draußen allein herumirrte.
Ich hielt meine Armbanduhr vor die Augen und machte mit Müh und Not im Halbdunkel die Uhrzeit aus. Gleichzeitig überlegte ich, wann wir aus dem Dorf weggefahren, wie lange wir unterwegs gewesen waren und wie lange ich schon hier wartete. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Das Einzige, was ich wusste, war, dass zu viel Zeit vergangen war.
Aszulay hatte Badou nicht gefunden.
FÜNFUNDDREISSIG
I ch hatte alle Hoffnung aufgegeben. Während ich in dem leicht schwankenden Laster saß, starrte ich in das Nichts jenseits der Windschutzscheibe hinaus.
Immer wieder war ich versucht, abermals auf die Uhr zu blicken, und tat es schließlich auch. Fast eine Stunde war vergangen.
Wieder schlug ich die Hände vors Gesicht und weinte.
Und plötzlich wurde die Fahrertür aufgerissen, und Aszulay hob Badou auf die Sitzbank, stieg hinter ihm ein und schlug die Tür wieder zu.
Ich zog Badou in die Arme und wickelte ihn aus Aszulays Turban, der ihn von Kopf bis Fuß verhüllte. Als sein kleines Gesicht zum Vorschein kam, sah er mich
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