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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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von den Schmerzen auf. Sie waren von meinem Rücken in den Unterleib gewandert und stärker geworden. Unwillkürlich rollte ich mich zusammen. Ich überlegte mir, ob ein heißes Bad vielleicht helfen würde. Langsam schlug ich die Bettdecke zurück, und als ich aufstand, spürte ich, wie sich ein Schwall Flüssigkeit an meinen Beinen hinab ergoss. Entsetzt blickte ich zu der dunklen Lache zu meinen Füßen. Die Hände auf den Bauch gepresst, schleppte ich mich ins Bad und betätigte den Lichtschalter. Der Anblick des Blutes ließ meine Beine schwach werden, weil ich wusste, was es bedeutete.
    » Nein!«, schrie ich, und meine Stimme hallte in dem kahlen Badezimmer wider. Ich konnte unmöglich die Treppe hinunter zur Concierge gehen, denn der Blutfluss und die Krämpfe hielten unvermindert an. » Etienne!«, rief ich, denn mir fiel kein anderer Name ein, den ich um Hilfe anrufen konnte. » Etienne«, sagte ich nochmals, leise diesmal, und wieder erhielt ich nur das Echo meiner Stimme zur Antwort.
    Ich war vollkommen allein. Da war niemand, der mir hätte helfen können. Und ich konnte nicht verhindern, dass das begonnene Leben aus meinem Körper entwich.
    Später lag ich auf einem Handtuch seitlich auf den harten Fliesen des Badezimmerbodens, die Knie an den Bauch gezogen. Ich hatte so viel geweint, dass mein Kopf hämmerte; ich verspürte Durst, doch fehlte mir die Energie, aufzustehen und vom Wasserhahn zu trinken.
    Ich blieb so liegen, bis das erste Tageslicht durch die Badezimmertür fiel und auf mein Gesicht schien. Ich beobachtete, wie das Licht über das Bett und die Wand kroch. An der Zimmertür war ein leises Klopfen zu hören, aber ich blieb stumm. Ich konnte weder aufstehen noch die Augen schließen. Es war, als wäre mein Körper eine leblose Muschelschale, die mir nicht gehorchte, mein Geist hingegen ein Muskel, der sich im steten Rhythmus zusammenzog und immer wieder dieselben Worte ausstieß: Dein Kind ist tot. Dein Kind ist tot.
    Durch das halb geöffnete Fenster drangen Rufe, dann Kinderstimmen und das unaufhörliche Bellen eines Hundes.
    Wieder ein Klopfen an der Tür, kräftiger diesmal, und eine Mädchenstimme ließ sich vernehmen, die sagte: »Madame! Madame, ich möchte gern Ihr Zimmer sauber machen.« Sie rüttelte am Türgriff. Ich sog bebend die Luft ein und hob die Hände zum Gesicht. Meine Wangen waren nass. Das Rütteln hörte wieder auf.
    Jede Bewegung tat weh, und meine Glieder schmerzten wie bei einer Grippe. Zitternd gelang es mir, mich aufzusetzen, und mein Blick fiel auf die blutgetränkten Handtücher um mich her.
    » Etienne«, flüsterte ich. » Was soll ich jetzt tun? Was soll ich bloß tun?«
    Mühsam rappelte ich mich auf und klammerte mich am Waschbecken fest. Dann ließ ich Wasser in die Wanne und nahm ein Bad. Ich zog ein frisches Nachthemd an und knüllte das schmutzige zusammen, um es im Abfalleimer zu verstauen. Ich war zu schwach, um die Handtücher auszuspülen, und warf sie stattdessen in die Wanne, wo sie einen gräulich-rosafarbenen Haufen bildeten, ehe ich wieder ins Bett ging.
    Immer wieder berührte ich meinen Unterleib. Ich konnte kaum glauben, dass das winzige Wesen, das Etienne und ich gezeugt hatten, verschwunden war.
    Ich muss mich wohl in einem Schockzustand befunden haben, denn es gelang mir nicht, an etwas anderes zu denken als an den Tod des kleinen Wesens. Irgendwann faltete ich die Hände zusammen und betete für seine Seele.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so dalag, aber als auf dem Flur wieder Geräusche zu hören waren und abermals am meine Tür geklopft wurde, rief ich, so laut ich konnte: » Bitten Sie Madame Buisson, in mein Zimmer zu kommen. Ich bin krank.« Ich kroch mühsam wieder aus dem Bett und schloss die Tür auf.
    Kurz darauf erschien die Concierge. Sie blieb auf der Schwelle stehen und sah mich an. Ich sagte ihr, ich sei krank, sie solle bitte einen Arzt holen. Ich hatte mich in dem schmalen Bett halbwegs in Sitzposition aufgerichtet und die Laken notdürftig über die Beine gezogen.
    Sie nickte, und ihre Miene war ebenso unergründlich wie am Tag zuvor. Doch als ihr Blick zu der offenen Badezimmertür huschte, hob und senkte sich ihre Brust rascher. Ich folgte ihrem Blick und bemerkte, dass ich eines der blutgetränkten Handtücher auf dem Boden liegen gelassen hatte. Sie ging zum Bad, spähte hinein und schloss energisch die Tür. Dann starrte sie mich nochmals an, und ich sah, dass sie ihren Kopf kaum merklich schüttelte, ehe sie

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