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Der Duft

Titel: Der Duft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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darauf hin, dass sie in An Nahud waren. Die flachen Häuser aus Lehmziegeln wirkten armselig, aber nach der endlosen Fahrt
     durch die Nacht fühlte sich Marie, als seien sie im Zentrum der Zivilisation angekommen.
    Rafael schlug die Augen auf und sah sich verwirrt um. »Wo sind wir? Ist es schon Morgen? Wieso hast du mich nicht geweckt?«
    »Ich konnte noch«, sagte Marie. »Aber jetzt haben wir kaum noch Benzin. Wir können von Glück sagen, dass wir es bis hierher
     geschafft haben. Hier gibt es sicher irgendwo eine Tankstelle.«
    »Und dann? Wir haben kein Geld!«
    Marie hielt ihre weißgoldene Uhr hoch, die sie von ihrem Vater zum Abitur geschenkt bekommen hatte.
    Es dauerte eine Weile, bis sie ins Zentrum der Stadt vordrangen, wo es zumindest ein paar gemauerte mehrstöckige Häuser und
     Geschäfte gab. Marie entdeckte einen Laden, der ihren Vorstellungen entsprach, und hielt an. Das verdreckte Schaufenster zeigte
     ein Sammelsurium von Dingen – Autoradios, einen alten Plattenspieler, ein paar billige Mobiltelefone, Stehlampen, kitschige
     chinesische Porzellanfiguren. Auch einige schäbige Armbanduhren waren darunter. Die Preise waren nicht in Sudanesischen Pfund,
     sondern in US-Dollar angegeben.
    Die Ladeninhaberin, eine beleibte Afrikanerin mit einem dunkelgrünen Kopftuch, sah missbilligend auf. Maries Haar war zerzaust
     und verklebt, ihr Gesicht von Kratzern und blauen Flecken bedeckt, wie ein kurzer Blick in den Rückspiegel des Jeeps ihr gezeigt
     hatte. Als sie ihre Uhr auf den Ladentisch legte, rümpfte die Ladenbesitzerin die Nase.
    |282| »How much can you give me for this?«
    Die Frau schüttelte den Kopf. »I not buy stolen property.«
    »No, it is not stolen, it is mine!«, sagte Marie verzweifelt. »I am a German tourist! I’ve been robbed!«
    Marie sah der Frau an, dass sie ihr kein Wort glaubte, was nicht verwunderlich war – wenn Marie ausgeraubt worden war, wie
     sie behauptete, wieso besaß sie dann noch ihre wertvolle Uhr? Doch die Ladeninhaberin nahm das Stück in die Hand und inspizierte
     es genauer.
    »Okay«, sagte sie. »Twenty dollar.«
    »Twenty dollar?« Marie glaubte, sich verhört zu haben. Die Uhr war mindestens das Hundertfache wert. Doch die Afrikanerin
     zeigte sich unbeeindruckt von Maries Protesten. Sie behauptete, dass man in diesem Laden keine Uhr für mehr als dreißig Dollar
     verkaufen könne. Wenn sie mehr Geld haben wolle, müsse sie nach Khartum fahren.
    Nach einigem Hin und Her einigten sie sich auf fünfzig Dollar. Es kostete Marie einige Überwindung, sich von dem Geschenk
     ihres Vaters zu trennen. Schließlich nahm sie das Geld und verließ den Laden mit dem Gefühl, das schlechteste Geschäft ihres
     Lebens gemacht zu haben. Andererseits waren fünfzig US-Dollar in An Nahud eine Menge Geld, besonders angesichts der Lage,
     in der sie sich befanden. Es reichte, um den Tank des Jeeps und die Reservekanister zu füllen, außerdem für eine Straßenkarte,
     einen Kamm, ein paar Sandwiches und vier Flaschen Cola.
    Sie fuhren Richtung Osten über eine Sandpiste, die nicht besser war als die Strecke, die sie in der Nacht zurückgelegt hatten.
     Rafael saß wieder am Steuer, und Marie fiel in einen unruhigen Dämmerschlaf. Immer wieder schreckte sie hoch und sah sich
     angstvoll nach Verfolgern um, doch sie blieben unbehelligt.
    Am späten Nachmittag erreichten sie die Stadt Kost am |283| Ufer des Nils. Dort gab es üppige Gärten und Palmenhaine – eine willkommene Abwechselung nach dem eintönigen Graubraun der
     Landschaft bisher. Auch die Straße war nun asphaltiert und lebhaft befahren. Sie folgten dem Lauf des Nils gen Norden.
    Es war bereits mitten in der Nacht, als sie endlich die Ausläufer Khartums erreichten. Rafael lenkte den Jeep auf einen leeren
     Platz am Straßenrand, der von einigen Hütten gesäumt war, und sie verschliefen den Rest der Nacht.
    Am nächsten Morgen ließen sie sich an einer Tankstelle den Weg zur Deutschen Botschaft erklären. Sie lag in einem vornehmen
     Wohnviertel, in dem sich viktorianische Villen und elegante, weiß getünchte Häuser mit arabischen Rundbögen abwechselten.
     Nach all dem Elend, das sie bisher gesehen hatten, war es kaum zu glauben, dass es in diesem Land Menschen gab, die sich so
     etwas leisten konnten.
    Die Botschaft selbst war ein ziemlich hässlicher rechteckiger Bau mit Staffelgeschoss in einem Baustil, den man in den achtziger
     Jahren für moderne Architektur gehalten hatte. Als sie vor der Tür

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