Der Duft
mit dem Bundesadler standen, wurden Maries Knie vor Erleichterung
weich. Tränen traten ihr in die Augen, und sie musste plötzlich lachen. »Wir haben es geschafft«, sagte sie. »Wir haben es
tatsächlich geschafft!«
Rafael lächelte schwach. »Ja, aber wir sind noch nicht am Ziel.«
Sie wurden am Eingang von einem sudanesischen Polizisten kontrolliert, dem es aber genügte, dass sie Deutsch sprachen, um
sie durchzulassen. Sie wandten sich an die junge Frau hinter der Empfangstheke im Eingangsbereich, die sie erschrocken ansah.
»Was ist denn mit Ihnen passiert?«
»Wir sind überfallen und ausgeraubt worden«, erklärte Marie. »Wir benötigen provisorische Pässe, Geld und ein Ticket nach
Hause.«
|284| »Und wir müssen dringend mit dem Botschafter sprechen«, ergänzte Rafael.
»In welcher Angelegenheit?«, fragte die Empfangsdame.
Rafael sah sie überrascht an. »Ich habe doch gerade gesagt, wir sind überfallen worden, und …«
»Haben Sie schon die sudanesische Polizei informiert?«
»Nein, aber …«
»Dann kann Ihnen der Botschafter auch nicht weiterhelfen«, sagte die Frau. »Wir können Ihnen provisorische Pässe ausstellen.
Dazu müssen wir zunächst Ihre Personalien überprüfen. Dann können Sie nach Hause telefonieren und Ihre Angehörigen bitten,
Ihnen Geld auf ein Treuhandkonto der Botschaft zu überweisen. Das können wir Ihnen dann auszahlen. Mehr können wir nicht tun.«
Sie reichte ihnen zwei Formulare. »Benötigen Sie einen Arzt?«
Marie nahm die Vordrucke. »Nein, nein, schon gut, das sind nur ein paar Kratzer.«
Rafael gab nicht so schnell auf. »Hören Sie, wir haben eine wichtige Nachricht für den Botschafter. Es geht um eine Sache
von nationaler Bedeutung!«
Die Frau warf ihm ein professionelles Lächeln zu. Es war offensichtlich, dass sie ihm nicht glaubte. »Wie ich schon sagte:
Für die Verfolgung von Straftaten sind die sudanesischen Behörden zuständig. Wir können Ihnen hier nur konsularische Betreuung
zukommen lassen.«
Rafael wollte sich aufregen, doch Marie zog ihn zu einer Sitzgruppe in der Ecke, wo auf einem Tisch einige an kleinen Ketten
befestigte Stifte lagen.
»Willst du das etwa auf sich beruhen lassen?«, sagte Rafael aufgebracht. »Wir müssen doch etwas unternehmen!«
»Beruhige dich. So hat das doch keinen Sinn. Füllen wir erst mal diese Formulare aus. Bestimmt werden wir dann zu einem Konsularbeamten
gebracht, der uns noch ein paar Fragen stellen wird. Vielleicht hört der uns zu. Und wenn |285| nicht, können wir Bob Copeland anrufen. Der hat weitreichende Beziehungen. Er kennt bestimmt die richtigen Leute.«
Rafael nickte. »Du hast recht. Diese dumme Kuh da vorne begreift sowieso nicht, was los ist.«
Eine Viertelstunde später saßen sie einem übergewichtigen Konsularbeamten mit sonnengebräunter Glatze gegenüber, der immerhin
versuchte, freundlich zu sein. Er stellte ihnen Fragen und hörte aufmerksam zu, während Rafael ihm die ganze Geschichte erzählte,
von ihrer Entdeckung in Borgs Labor bis hin zu ihrer Flucht. Hin und wieder machte sich der Beamte Notizen. »Das ist eine
sehr aufregende Geschichte«, sagte er schließlich.
Marie und Rafael sahen ihn verblüfft an. Aufregend? Geschichte? Sie warteten einen Moment, aber es kamen weder weitere Fragen
noch die Aufforderung, sich an irgendeine Behörde zu wenden, die für Terrorabwehr zuständig war – den Bundesnachrichtendienst,
den Bundesgrenzschutz, das BKA.
»Und jetzt? Was machen Sie jetzt?«, fragte Marie.
»Jetzt werde ich Ihnen provisorische Pässe besorgen. Das dauert ein paar Stunden.« Er sah auf die Uhr. »Sie können sie gegen
16.00 Uhr abholen. Bis dahin können Sie sich ja die Stadt ansehen. Es gibt hier ein paar sehr hübsche Gebäude aus der Kolonialzeit.«
Marie war sprachlos.
»Und was ist mit Nariv Ondomar?«, fragte Rafael. »Und mit dem Pheromon? Was gedenken Sie, in dieser Hinsicht zu unternehmen?«
Der Beamte lächelte freundlich. »Terrorabwehr liegt natürlich außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Botschaft. Ich werde
die Sache in unseren wöchentlichen Lagebericht an den Bundesnachrichtendienst aufnehmen. Ihre Personalien habe ich ja. Ich
nehme an, dass sich jemand |286| vom BND bei Ihnen melden wird, falls weitere Fragen bestehen.«
Falls weitere Fragen bestehen. Fassungslos schüttelte Marie den Kopf. Nach allem, was sie durchgemacht hatten, saßen sie hier
in einem Büro mit Klimaanlage, und niemanden
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