Der Duft
Luxusschuppen in
Riad. Sie zeigen es schon die ganze Zeit. Was ist denn damit?«
»Ich habe es gesehen. Auf einem Prospekt. Im Zelt von Ondomar.«
»Ach du Scheiße!«
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|295| 35.
Nancy Singh arbeitete seit fast zwanzig Jahren in Hotels. Angefangen hatte sie mit siebzehn, als Lehrling in einem mittelklassigen
Geschäftshotel in Baltimore. Durch Fleiß und Freundlichkeit hatte sie sich einen guten Ruf erworben und war bald zu einem
der Vorzeigehäuser der Hotelkette nach New York versetzt worden. Dort hatte sie es bis zur Leiterin des Empfangsbereichs gebracht.
Damals hatte Nancy bereits gelernt, dass die wichtigsten Geschäftspartner und die reichsten und anspruchsvollsten Gäste oft
aus entlegenen und ihrer damaligen Ansicht nach rückständigen Ländern kamen – Russland, China, Indonesien, Afrika, dem mittleren
Osten. Dann war das Burj al Arab gebaut worden, das teuerste und beste Hotel der Welt, und sie hatte davon geträumt, einmal
dort zu arbeiten. Arabien war ihr wie eine Märchenwelt erschienen, fern, exotisch und voll unermesslicher Reichtümer.
Als ihr eines Tages ihr damaliger Freund Rangar offenbarte, dass er gedenke, einen Auftrag als Architekt in Riad anzunehmen,
und sie bat, ihn dorthin zu begleiten, hatte sie ohne lange nachzudenken Ja gesagt. Sie erinnerte sich noch gut an Rangars
verblüfftes Gesicht im Schein der Kerzen über dem festlich gedeckten Tisch. Er hatte wohl damit gerechnet, ihr diese Nachricht
schonend beibringen zu müssen, und extra ein aufwendiges Abendessen gekocht.
Er hatte das Gesicht in gespielter Enttäuschung verzogen. »Da gebe ich mir solche Mühe, um dich zu überreden, und dann sagst
du einfach so ja!« Sie hatten beide gelacht.
|296| Nach einer Weile hatte Rangar sie mit seinen dunklen Augen angesehen. »Vielleicht sagst du ja auch zu meiner nächsten Frage
einfach Ja, Nancy.« Er räusperte sich. »Willst du mich heiraten?«
»Ja«, hatte Nancy gesagt.
Sie hatte diese Entscheidung nie bereut, obwohl Riad so ganz anders war, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie lebten am
Stadtrand in einem abgezäunten Wohnpark, einer Art Ghetto für Ausländer, in dem die strengen Regeln des öffentlichen Lebens
in Saudi-Arabien, die auf der Jahrhunderte alten islamischen Gesetzgebung der Scharia basierten, nicht galten. Es gab dort
alles, was man zum Leben brauchte, doch Nancy hatte immer darunter gelitten, den Park nicht verlassen zu können. In Riad durften
Frauen nicht ohne männliche Begleitung aus dem Haus, und dann auch nur von Kopf bis Fuß verhüllt. Nancy besaß eine Sondergenehmigung
zum Autofahren, die nur Ausländerinnen erlangen konnten. Sie fuhr täglich vom Wohnpark zum Hotel und zurück, den Kopf stets
mit Tuch und dunkler Sonnenbrille verhüllt, und hatte praktisch keinen Kontakt zur einheimischen Bevölkerung, die Amerikanern
gegenüber ohnehin eher feindselig eingestellt war.
Ursprünglich wollte Rangar nach Abschluss des Projekts, dem Bau eines großen Krankenhauses, in die USA zurückkehren. Doch
er hatte weitere attraktive Angebote hier in Riad bekommen, während der Markt in den USA immer schwieriger geworden war. Also
waren sie geblieben. Zu Anfang hatte Nancy schreckliches Heimweh gehabt, doch dann hatte sie Timmy geboren und später Sari,
und irgendwann hatte sie sich an das Leben in Arabien gewöhnt. Ja, man konnte sogar sagen, sie hatte hier ihr Glück gefunden.
Die Arbeit in dem Hotel, einem der besten im Arabischen Raum, gefiel ihr, Rangar ging in seiner Arbeit auf, und die Kinder
besuchten einen amerikanischen Ganztageskindergarten. |297| Alles in allem war das Leben im Wohnpark ein wenig wie in einer Kleinstadt im Mittleren Westen der USA.
Ihr Job als Leiterin des Gästeservices hatte ihr immer großen Spaß gemacht, doch das, was in den letzten vier Wochen über
sie hereingebrochen war, hatte ihr mehr als einmal die Tränen in die Augen getrieben.
Es war weniger die Tatsache, dass viele der CIA-Mitarbeiter, die über das Hotel hergefallen waren wie Heuschrecken, ihr mit
mehr oder weniger gut verhülltem Misstrauen oder gar Herablassung begegneten. Solches Verhalten war sie von ihren Gästen gewohnt.
Viel schlimmer wog, dass sie nicht mehr Herrin der Prozesse war, die für sie den Lebensinhalt bildeten. Statt des zuverlässigen
arabischen oder indischen Personals standen nun tollpatschige, mürrische CIA-Angestellte hinter der Empfangstheke, die keinen
Hehl daraus machten,
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