Der Duft
entgegnete Marie. »Sie kennen ja die Copeland-Prinzipien.«
»Schon richtig«, sagte Borlandt. »Aber vergessen Sie nicht: Selbst wenn Olfana keine Zukunft hat – wir müssen immer noch einen
Käufer für die Firma finden. Es ist sicher sinnvoll, die Kosten zu senken, um die Zahlen aufzubessern. Aber wir dürfen die
Firma nicht kaputt reden, sonst können wir sie gleich dichtmachen.«
Marie verkniff sich die Bemerkung, dass das vielleicht die beste Lösung wäre. »Was sind aus Ihrer Sicht die nächsten Schritte?«
Borlandt dachte einen Moment nach. »Ich folge Ihren Überlegungen«, sagte er. »Ich habe schon länger den Verdacht, dass die
in Afrika nur Geld versenken. Aber ich zögere noch, den Schnitt zu machen und das Feldlabor zu schließen. Ich meine, zumindest
nach außen hin sieht es doch so aus, als hätte Olfana dadurch einen Vorsprung vor der Konkurrenz.«
|122| »Wir können ja hinfahren und uns die Sache einmal vor Ort ansehen«, sagte Rafael.
Borlandt und Marie sahen ihn überrascht an. »Das bringt doch nichts«, wandte Marie ein. »Wir bräuchten mindestens eine Woche,
und …«
»Das ist vielleicht keine schlechte Idee«, unterbrach sie Borlandt. »Fliegen Sie nach Uganda und nehmen Sie das Labor unter
die Lupe. Betrachten Sie es mit den Augen eines potenziellen Käufers. Finden Sie heraus, was die da eigentlich machen, und
sagen Sie mir, ob das Labor den Wert der Firma erhöht – zumindest in der Außenwirkung. Dann sehen wir weiter.«
»Sag mal, spinnst du?« Marie gab sich keine Mühe, ihren Zorn zurückzuhalten, während sie den Mietwagen durch den Frankfurter
Stadtverkehr in Richtung Süden lenkte. »Was fällt dir ein, mir in einem Meeting mit Borlandt in den Rücken zu fallen!«
Rafael reagierte erschrocken, so als sei er sich erst jetzt bewusst geworden, was er angerichtet hatte. »Aber ich habe doch
nur …«
»Du hättest beinahe nicht nur das Meeting, sondern das ganze Projekt ruiniert! Scorpa hat sich schon ins Fäustchen gelacht.
Wir haben ein Riesenglück gehabt, dass Borlandt dachte, deine Einwürfe seien Taktik gewesen. Good guy, bad guy, dass ich nicht
lache!«
»Als ich eingestellt wurde, hat Bob Copeland gesagt, ›Wahrheit geht vor Politik‹«, erwiderte Rafael mit beleidigtem Tonfall.
»Mir hat Bob gesagt, ›Das Wichtigste ist, im Team zusammenzuhalten!‹«
»Okay, du hast recht. Ich war vorlaut. Tut mir leid, ehrlich.«
Das nahm Marie den Wind aus den Segeln. Einen Moment |123| lang wusste sie nicht, wie sie reagieren sollte. »Schon gut«, sagte sie schließlich. »Aber so was will ich nicht noch mal
erleben, klar?«
»Ist klar«, sagte er. »Jedenfalls haben wir Scorpa jetzt gegen uns. Er wird alles tun, um unsere Arbeit zu behindern.«
»Das kann er ja mal versuchen. Sobald er auch nur die kleinste Zahl zurückhält, rufe ich Borlandt an.«
»Borlandt hat doch gesagt, wir sollten nicht weiter auf Konfrontation mit Scorpa gehen. Er braucht ihn noch, und ich glaube,
da hat er recht. Ich würde sagen, wir sollten uns bei ihm entschuldigen.«
»Entschuldigen? Dafür, dass wir die Fakten auf den Tisch gelegt haben?«
»Dafür, dass wir uns nicht mit ihm abgestimmt haben, bevor wir den Stab über seine Firma gebrochen haben. Ich meine, wir hätten
ihm wenigstens Gelegenheit geben sollen, seine Meinung dazu zu sagen, bevor wir seinem Chef berichten.«
Marie wusste, wie recht er hatte. In ihrem blinden Arbeitseifer hatte sie nicht berücksichtigt, dass die Arbeit eines Beraters
nicht nur aus Analysen bestand. Wenn man eine Firma verändern wollte, musste man die Menschen für die Veränderung gewinnen.
In dieser Hinsicht hatte sie einen lausigen Job gemacht. Sie hatte sich nicht einmal mit Rafael abgestimmt, sondern war in
dem naiven Glauben, schon alles zu wissen, in das Meeting mit Borlandt gelaufen. Sie hatte dieses Projekt bisher sehr schlecht
geführt. Ihre Leistung war einer Projektleiterin unwürdig – von einer Partnerin ganz zu schweigen.
Im Teamraum begann Marie damit, ihre Reise nach Uganda vorzubereiten. Sie hatte nicht die geringste Lust, nach Afrika zu fliegen,
und hielt die ganze Sache für Zeitverschwendung. Aber Borlandts Anweisung war eindeutig |124| gewesen. Auf jeden Fall wollte sie die Sache möglichst schnell hinter sich bringen.
Das Labor lag im äußersten Südwesten des zentralafrikanischen Landes, nahe der Kleinstadt Kisoro. Warum man eine Forschungsstation
an einem so entlegenen Ort
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