Der Duft
angenommen.
»Welcome to Kisoro Airport«, sagte ein Mann mit blauschwarzer Haut in buntem Freizeithemd, als sie das Gebäude betraten. Er
saß hinter einem einfachen Tisch und lächelte sie an. »Hope you had good flight. Your passports, please.«
Marie reichte ihm ihre Papiere. Er runzelte die Stirn, blätterte durch den Pass und gab ihn ihr zurück. »Not good. Passport
not valid for Kisoro«, sagte er.
|130| »Wie bitte?« Marie betrachtete erschrocken ihren Pass. Warum sollte er nicht gültig sein? Sicherheitshalber sah sie noch einmal
nach, obwohl sie das Ablaufdatum in der ihr eigenen Gründlichkeit vor dem Reisestart überprüft hatte. Das Dokument war ohne
Zweifel gültig.
»Yes, my passport is valid!«, sagte sie.
Der Zollbeamte oder was immer er war schüttelte den Kopf. »I am an official of the Ministry for Foreign Affairs of Uganda
Republic«, sagte er. »I say this passport not good for Kisoro!«
Rafael reichte ihm seinen Ausweis. »Maybe this is better«, sagte er.
Der Beamte klappte ihn auf und nahm den 50-Dollar-Schein heraus, den Rafael zwischen die Seiten gesteckt hatte. Er grinste.
»Yes, this passport valid.«
Marie bekam einen roten Kopf. Sie hatte wirklich keine Lust, sich auf diese Weise erpressen zu lassen. Aber schließlich seufzte
sie nur, holte ihr Portemonnaie hervor und steckte ebenfalls eine 50-Dollar-Note in den Pass. Der Beamte nahm das Geld, nickte
und winkte sie durch. Marie fragte sich, wie sie das Geld auf ihrer Reisekostenabrechnung deklarieren sollte.
Vor dem Flughafengebäude empfing sie ein Afrikaner mit einem Pappschild, auf dem in krakeliger Schrift »Olfana« stand. Er
lud Maries und Rafaels Koffer in einen klapprigen Jeep.
Kisoro war eine Kleinstadt aus flachen, schmucklosen Gebäuden, die von Satellitenschüsseln bedeckt waren. In dem trüben Wetter
und der kühlen Luft wirkte sie eher wie eine osteuropäische Vorstadt – jedenfalls nicht wie das romantische afrikanische Dörfchen,
das sich Marie vorgestellt hatte. Sie hatte auf dem Weg hierher in einem Reiseführer gelesen und erfahren, dass Kisoro in
fast 2000 Meter Höhe lag. Uganda war also so etwas wie die afrikanische |131| Schweiz – am tiefsten Punkt immer noch fast 1000 Meter über dem Meeresspiegel. Ganz in der Nähe ragten die Vulkane des Virunga-Massivs
empor, die es ohne Weiteres mit den höchsten Gipfeln der Alpen aufnehmen konnten. Im Regen wirkten sie dunkel und bedrohlich.
Nach kurzer Zeit verließen sie Kisoro und fuhren über eine holprige, gewundene Landstraße durch eine Hügellandschaft von üppigem
Grün. Kleine Lehmhütten und flache Häuser lagen zwischen terrassenartig angelegten Streifen, auf denen Kaffee, Mais und Tabak
angebaut wurden.
Ihr Fahrer bog von der Hauptstraße ab und folgte einem Lehmweg, der sich durch dichtere Vegetation in Serpentinen in die Höhe
wand. Es war später Nachmittag, und Marie hatte telefonisch mit Dr. Borg vereinbart, dass sie die Forschungsstation erst am
nächsten Tag besuchen würden. Der Reiseservice hatte sie in einem Touristenhotel etwas außerhalb Kisoros an einem See untergebracht.
Es sei das Beste, was man in der Gegend bekommen könne, hatte man ihr versichert.
Nach dem bisherigen Verlauf der Tour hatte Marie allerdings große Zweifel, was den Komfort ihrer Unterbringung betraf. Seit
sie in Frankfurt das Flugzeug bestiegen hatten, war die Reisequalität kontinuierlich gesunken. In Nairobi hatten sie in einem
durchaus noch als erträglich zu wertenden Hotel einer amerikanischen Kette übernachtet. Heute Morgen jedoch hatten sie über
drei Stunden in einem völlig überfüllten Flughafengebäude auf den verspäteten Start ihrer Turboprop-Maschine nach Entebbe
warten müssen. Dort waren sie weitere zwei Stunden damit beschäftigt gewesen, den Piloten der Chartermaschine ausfindig zu
machen, der sie nach Kisoro bringen sollte. Als Marie nach einem längeren Marsch über das Rollfeld das Flugzeug gesehen hatte,
wäre sie am liebsten wieder umgedreht. Doch der Pilot hatte gelächelt und ihr in holprigem |132| Englisch versichert, dass er die Maschine nun seit dreiundzwanzig Jahren fliege und sie ihn in dieser Zeit noch nie im Stich
gelassen habe.
Der Wagen erreichte schließlich den flachen Kamm eines Hügels, von dem aus man einen freien Blick über ein weites Tal bekam.
Der Regen hatte inzwischen aufgehört, und die Wolkendecke war an einigen Stellen aufgerissen, sodass die Sonne grelle
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