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Der Duft

Titel: Der Duft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ihre überflüssigen
     Luxusgüter herzustellen und die Umwelt zu verpesten.
    Die Kolonialzeit war offiziell vorüber, doch die Staaten der Dritten Welt waren abhängiger von den Industrienationen als je
     zuvor. Es gab keinen Sklavenhandel mehr, aber Kinder mussten in Fabriken in Afrika und Asien schuften, damit ihre Altersgenossen
     im Westen noch mehr Spielzeug kaufen konnten. Was Entwicklungshilfe genannt wurde, diente in Wahrheit dazu, korrupte Regimes
     zu fördern und die Eigenständigkeit der armen Nationen möglichst gering zu halten. Die Dritte Welt war von der vermeintlichen
     Großzügigkeit der reichen Länder wie benebelt und merkte nicht, wie ihr das überwiesene Geld durch die Lieferung von Waffen
     und albernen Konsumgütern wieder aus der Tasche gezogen wurde. Die westlichen Politiker gaben im Fernsehen die Friedensapostel
     und sorgten doch gleichzeitig dafür, dass in so gut wie jeder Region, nach der sie ihre gierigen Finger ausstreckten, Bürgerkriege
     ausbrachen und unbeschreibliches Elend über die Bevölkerung kam. Dann konnten sie wieder medienwirksame Hilfslieferungen und
     so genannte »Schutztruppen« in die Krisenregionen schicken. Und CNN war die Bühne für dieses gigantische Theaterspiel.
    Ondomar war kein Idiot, kein verblendeter Weltverbesserer. Er wusste, dass die Welt nicht gerecht war und es auch nie sein
     würde. Zu einem abgekarteten Spiel gehörten immer zwei Parteien. Die Menschen in der Dritten Welt waren mit ihrer Anfälligkeit
     für Korruption, ihrer Leichtgläubigkeit und ihrer Gier nach Wohlstand und Luxus zum großen Teil selbst an ihrer Misere schuld.
     So wie vor langer |128| Zeit die afrikanischen Häuptlinge ihre eigenen Stammesbrüder an Sklavenhändler verkauft hatten, verschleuderten nun egomanische
     Machthaber die Zukunft ihres Landes für ein paar hingeworfene Dollar.
    Aber wenn man das perfide Treiben der Industrienationen einmal durchschaut hatte, konnte man nicht tatenlos zusehen. Jemand
     musste den Menschen die Augen öffnen – sowohl den unterdrückten Völkern in der Dritten Welt als auch den aufgeklärten, hilfsbereiten
     Menschen in den westlichen Nationen, denn auch die gab es durchaus.
    Ondomar war nicht besonders religiös. Wenn es Allah wirklich gab, dann hatte er zumindest einen sehr merkwürdigen Humor. Doch
     Religion war ein machtvolles Mittel, um Männer bis zur Selbstaufopferung zu motivieren, deshalb wahrte er nach außen hin den
     Anschein. Er hielt sich nicht für auserwählt kraft göttlicher Fügung. Doch das Schicksal hatte ihm das Mittel in die Hand
     gespielt, die Welt sehend zu machen, um dem Raubtierkapitalismus der Industrienationen die grinsende Maske herunterzureißen.
     Es war Ondomars Pflicht, diese Chance zu nutzen.
    Er stand von seinem Schreibtisch auf und streckte sich. Er würde eine Runde durch das Lager machen, ein wenig mit den Männern
     plaudern, ein paar Witze reißen, hier und da Lob und Tadel verteilen. Nichts war für eine Kampftruppe so nervtötend wie das
     Herumsitzen und Warten auf den nächsten Einsatz.
    Das Satellitentelefon auf seinem Schreibtisch piepte. Es gab nicht viele Menschen, die diese Nummer kannten. Und es gab nicht
     viele Gründe, sie zu wählen.
    Es war der Deutsche, natürlich. Und wie erwartet gab es wieder mal Probleme.

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    |129| 14.
    Es war kalt, und es regnete. So hatte sich Marie Afrika nicht vorgestellt. Mit weichen Knien stolperte sie aus der einmotorigen
     Chartermaschine, die sie nach Kisoro gebracht hatte, dankbar, dass sie den Flug überlebt hatte. Den schlammigen Acker, in
     dem ihre eleganten Schuhe einsanken, als Flugplatz zu bezeichnen, war die Übertreibung des Jahrhunderts. Es gab ein paar rot-weiß
     lackierte Blechtonnen, die das Flugfeld begrenzten, und einen flachen Bau, der gleichzeitig als Kontrollzentrum, Abfertigungshalle
     und Wartesaal fungierte – sonst nichts.
    Beim Anflug durch dichte Wolken waren sie herumgeworfen worden, als spielten Riesen mit ihnen Tennis. Die Luftlöcher, in denen
     die Maschine immer wieder heruntersackte, waren so tief gewesen, dass sie ein paar Mal vom Sitz abgehoben und für eine Sekunde
     echte Schwerelosigkeit empfunden hatten. Einige Leute hätten für diese Erfahrung vielleicht viel Geld bezahlt, Marie jedoch
     konnte in Zukunft gut darauf verzichten. Selbst Rafael, der auf den beiden Flügen zuvor noch fröhlich und abenteuerlustig
     gewirkt hatte, war zuletzt verstummt und hatte eine grünliche Gesichtsfarbe

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