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Der Duft

Titel: Der Duft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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18.
    »Marie!« Die Stimme schien aus großer Entfernung zu kommen. »Marie! Hörst du mich?«
    Ein stechender Schmerz ging von ihrer Wange aus. Jemand hatte sie geohrfeigt! Empört schlug sie die Augen auf.
    »Marie! Gott sei Dank!« Rafael hatte sich über sie gebeugt. Er machte ein besorgtes Gesicht. Aus einer großen Platzwunde an
     seiner Stirn lief Blut herab, aber er kümmerte sich nicht darum. »Sie werden gleich hier sein. Wir müssen weg!«
    Sie? Wer waren sie? Warum lag sie hier unter einem Farnstrauch? Nur zäh kam die Erinnerung zurück. Marie setzte sich ruckartig
     auf. Augenblicklich begann sich alles um sie zu drehen, und ihr wurde übel. Sie übergab sich direkt neben Rafaels Knie.
    »Du hast sicher eine Gehirnerschütterung«, stellte er fest. »Kannst du trotzdem aufstehen?«
    Sie versuchte es. Ihre Beine waren wackelig, aber mit Rafaels Unterstützung konnte sie sich aufrecht halten. Sie warf einen
     kurzen Blick auf das Wrack des Taxis, das wenige Meter entfernt in die Luft ragte. Dann humpelten sie davon.
    Maries Kopf pochte vor Schmerzen. Ihr war schwindelig, und sie wollte sich hinlegen und ausruhen, doch Rafael zog sie unbarmherzig
     weiter. Er führte sie ein Stück den Abhang hinauf durch dichtes Buschwerk.
    Bald hörten sie Stimmen und hastige Schritte. Sie duckten sich hinter einen Busch, während die beiden Banditen an ihnen vorbei
     den Abhang hinunterkletterten. Sie erreichten das Wrack, das nur ein paar Dutzend Meter entfernt |168| war. Marie konnte hören, wie sie diskutierten. Sie lauschte angstvoll, während die Banditen die Umgebung abzusuchen begannen.
    Einer von ihnen näherte sich dem Gebüsch, in dessen Schutz sich Rafael und Marie gekauert hatten. Ihre Entdeckung war jetzt
     nur noch eine Frage von Sekunden. Der Kerl blieb genau vor dem Gebüsch stehen. Marie hielt den Atem an. Lauschte er?
    Sie senkte den Blick und erstarrte. Genau neben ihrer Hand saß eine Spinne. Sie war schwarz, mit einem kugelförmigen Hinterteil
     von der Größe einer Kirsche und haarigen Beinen, jedes von ihnen so lang wie Maries Daumen.
    Sie hatte eine Heidenangst vor Spinnen. Alles in ihr drängte, die Hand zurückzuziehen, aufzuspringen, zu schreien. Kalter
     Schweiß trat ihr auf die Stirn.
    Reiß dich zusammen, dachte sie. Das Tier tut dir nichts. Deine Angst ist vollkommen irrational. Du darfst nicht die Kontrolle
     verlieren.
    Wie aus purer Bosheit lief die Spinne auf ihre Hand zu, streckte eines ihrer Beine aus, betastete das ungewohnte Hindernis.
     Dann krabbelte sie vollends auf Maries Handrücken. Ihre langen Beine kitzelten auf der Haut. Marie biss sich auf die Lippe,
     um den Schrei zurückzuhalten.
    Immer noch verharrte ihr Verfolger in kaum mehr als einem Meter Entfernung, getrennt von ihnen nur durch dichtes Blattwerk.
     Marie roch seine ungewaschene Haut, den Alkohol in seinem Atem. Worauf wartete er? Warum informierte er seinen Kameraden nicht,
     dass er die Flüchtigen gefunden hatte?
    Plötzlich erklang ein rieselndes Geräusch, und der beißende Gestank von Urin erfüllte die Luft.
    Die Spinne hatte inzwischen Maries Handrücken verlassen und sich tiefer in den Schatten des Gebüschs zurückgezogen. Ein heftiges
     Schwindelgefühl befiel Marie, und |169| wieder stieg Übelkeit in ihr auf. Sie schluckte brennende Magensäure herunter.
    Der andere Verfolger rief etwas. Sein Kamerad schloss die Hose, antwortete ihm und entfernte sich dann rasch. Sie hörten,
     wie die beiden den Abhang hinaufkletterten.
    Erst, als sie außer Hörweite waren, erlaubte sich Marie ein Schluchzen.
    »Sie werden wiederkommen«, sagte Rafael. »Wahrscheinlich bringen sie Verstärkung mit. Wir müssen hier verschwinden!«
    »Oh mein Gott! Die wollten uns umbringen! Was … was sollen wir nur machen?«
    Rafaels Stimme war erstaunlich ruhig, so als sei diese Situation nicht weiter ungewöhnlich. »Zunächst mal müssen wir hier
     weg. Sie werden erwarten, dass wir entweder weiter nach unten klettern und durch den Dschungel fliehen oder dass wir nach
     oben zurück zur Straße laufen und ihr zum nächsten Ort oder zur Station folgen. Also scheiden beide Wege aus.«
    »Aber was sollen wir denn sonst machen?«
    »Wir gehen nach oben zur Straße. Aber wir folgen ihr nicht, sondern klettern weiter den Hang hinauf. Wenn wir weit genug von
     der Straße entfernt sind, werden sie uns nicht finden.«
    »Was … was ist mit dem Fahrer? Nathan Gombali?«
    »Er ist tot. Wir können froh sein, dass wir noch

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