Der Duft
leben.«
»Warum machen die das? Wir haben doch nichts, was sich zu stehlen lohnt, außer unseren Laptops vielleicht.« Marie fielen die
in jüngster Zeit zahlreichen Fernsehberichte über Geiselnahmen in politisch instabilen Ländern ein. »Meinst du, sie wollen
Lösegeld erpressen?«
»Vielleicht. Aber irgendwie glaube ich das nicht. Die wollten uns nicht fangen, die wollten uns beseitigen.«
»Aber warum?«
|170| »Weil wir etwas wissen, das wir nicht wissen dürfen.«
»Du meinst, Borg hat sie uns auf den Hals gehetzt?« Marie schüttelte unwillkürlich den Kopf, bereute diese Bewegung aber augenblicklich.
»Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder waren das gewöhnliche Banditen, denen wir zufällig in die Falle gegangen sind, oder
sie haben uns gezielt aufgelauert. Im ersten Fall hätten die beiden wohl nicht so intensiv nach uns gesucht. Wenn es ihnen
nur darum gegangen wäre, uns auszurauben, hätten sie sich vielleicht noch das Auto vorgenommen, wären dann aber abgehauen.
Wenn sie allerdings nicht zufällig hier waren, dann kann es nur Borg gewesen sein, der sie beauftragt hat.«
»Nur, weil wir die Gorillas entdeckt haben, will er uns umbringen lassen?«
»Es muss hier um mehr gehen als um illegale Tierversuche. Was immer die dort in diesem Feldlabor machen, es ist eine finstere
Sache, da bin ich sicher. Und jetzt komm, wir müssen weiter.«
Marie versuchte, den steilen Abhang allein hinaufzuklettern, doch ohne Rafaels Unterstützung kam sie nicht weit. Ihre Beine
waren immer noch wie Gummi, ihr Kopf schmerzte schrecklich, ihr war übel, und sie geriet schnell außer Atem.
Der Aufstieg war qualvoll langsam, mehr als einmal dachte sie, dass es vielleicht doch klüger gewesen wäre, den leichteren
Weg zum Grund des Tals zu nehmen.
Als sie den Straßenrand erreichten, sahen sie den Jeep ihrer Verfolger in einiger Entfernung stehen. Einer der Männer saß
im Fahrzeug und schien in ein Funkgerät zu sprechen.
Marie wusste, dass es überall in Zentralafrika bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Rebellen und Regierungstruppen gab.
Vielleicht waren die beiden Kerle Teil einer |171| solchen Rebellengruppe. Was Borg mit ihnen zu schaffen hatte, konnte sie sich nur vage vorstellen. Vielleicht ging es um Biowaffen.
Sie erschauderte bei dem Gedanken.
»Komm!« Rafael führte sie durch das dichte Buschwerk am Rand der Straße, bis der Jeep hinter einer Biegung außer Sicht war.
»Jetzt, schnell!« Er zog sie aus dem Sichtschutz des Gebüschs. Marie warf einen kurzen, sehnsüchtigen Blick zur Straße, die
sich den Hang entlang in Richtung Kisoro wand. Doch Rafael trieb sie unbarmherzig weiter bergauf.
Sie waren etwa hundert Meter geklettert, als sie das Geräusch von Fahrzeugen hörten. Hinter einen Busch gekauert beobachteten
sie, wie zwei Militärlaster an der Stelle ihres Absturzes hielten. Ein Dutzend Männer in olivgrüner Kleidung kletterte den
Hang hinab und schwärmte aus. Zwei von ihnen blieben bei den Fahrzeugen zurück. Doch keiner kam auf die Idee, den Hang oberhalb
der Straße abzusuchen.
»Weiter!«, flüsterte Rafael.
Marie folgte ihm. Ihr Kopfschmerz hatte etwas nachgelassen, sodass sie jetzt allein klettern konnte. Sie schlichen weiter
bergauf, wobei sie sorgfältig auf Sichtschutz von unten achteten. Einmal trat Marie einen Stein los, der den Abhang hinunterkollerte.
Sie hielt den Atem an, doch nach ein paar Metern schlug der Stein gegen einen Baumstamm und blieb liegen.
Der Himmel verdunkelte sich, und bald fing es an zu regnen. Der kühle Regen war Marie willkommen, nicht nur, weil er ihre
Geräusche übertönte und die Sicht minderte. Er schien auch einen Teil ihrer Übelkeit und Kopfschmerzen wegzuwaschen. Sie begann,
Zuversicht zu schöpfen.
Sie betrachtete Rafael, der ihr vorauskletterte. Bis vor einer Stunde war er noch der unbeholfene Copeland-Anfänger gewesen
und sie seine Vorgesetzte. Doch nun hatten |172| sich ihre Rollen vertauscht. Er war es gewesen, der sie aus dem Fahrzeugwrack geborgen und in Sicherheit gebracht hatte. Er
hatte gewusst, wie man den Soldaten entkam. Während sie von Verzweiflung und Panik gelähmt war, hatte er die Ruhe bewahrt.
Dafür war sie dankbar. Dies war nicht ihre Welt. Logik und Verstand schienen hier nicht viel zu nützen.
Nach einer halben Stunde war sie bis auf die Knochen durchnässt und fror erbärmlich. Der Regen war jetzt kein Segen mehr,
sondern eine permanente Belästigung. Das Licht
Weitere Kostenlose Bücher