Der Duft
größten Öltanker anlegen konnten. Als sich dann der Ölhandel soweit ausgeweitet hatte, dass die Konkurrenz
zu groß wurde, war sein Vater umgeschwenkt und hatte begonnen, die Scheichs mit Dingen des täglichen Lebens wie getunten Porsches,
Privathubschraubern und Luxusjachten zu versorgen. Irgendwann war auch dieses Geschäft nicht mehr lukrativ gewesen, und die
Familie war dazu übergegangen, ihr Vermögen im Ausland zu verdienen. Karims Vater hatte zu den Kapitalgebern gehört, die über
eine amerikanische Beteiligungsgesellschaft Netscape und später Google in den frühen Phasen vor dem Börsengang finanziert
hatten.
Karim hatte diese Tradition fortgesetzt. Vor kurzem hatte er sich zum Beispiel an der Finanzierung einer kleinen |189| Softwarefirma aus Hamburg beteiligt, in die auch die wichtigsten Computerfirmen der Welt investiert hatten. Die Firmenbewertung
war geradezu idiotisch hoch gewesen, aber der Name der Software hatte wie »Dinar« geklungen, was ihm als gutes Omen erschienen
war. Was genau die Firma machte, wusste er nicht, aber es hatte irgendwas mit einer vollkommen neuartigen künstlichen Intelligenz
zu tun. Wenn die übrigen Investoren mit ihren Einschätzungen recht hatten, konnte diese Firma bald Google aus der Portokasse
übernehmen. Das Investment war riskant, aber in der Vergangenheit hatte Karim ein sehr gutes Gespür für gewinnbringende Geschäfte
gehabt – eine Eigenschaft, die er zweifellos von seinem Vater geerbt hatte.
Wenn er richtig gerechnet hatte, dann war Kalarein inzwischen in Bezug auf das Vermögen pro Kopf auf Platz drei der reichsten
Staaten der Welt.
Geld jedoch bedeutete Karim nur insofern etwas, als es ein Gradmesser für sein wirtschaftliches Geschick war. Er selbst besaß
mehr, als er brauchte. Manchmal dachte er wehmütig an die Zeit in Harvard zurück, als er in einer kleinen Studentenbude gelebt
hatte, ohne dass irgendjemand großes Aufheben um ihn gemacht hätte. Er hatte mit Freunden in eine Kneipe gehen können wie
jeder andere. Niemand hatte ihn »Exzellenz« genannt oder sich vor ihm verbeugt.
Doch Lamentieren half nichts. Er trug nun einmal die Verantwortung für den Kleinstaat und seine Bürger, und er würde sich
vor dieser Verantwortung nicht drücken.
Seine Mutter lächelte ihn an, als er den Frühstücksraum betrat. Sie war immer noch strahlend schön, eine früher berühmte Schauspielerin
aus dem indischen »Bollywood«, die in zahlreichen knallbunten Liebesfilmen mitgewirkt hatte. »Guten Morgen, Karim.«
»Guten Morgen, Mutter.« Er setzte sich zu ihr und griff |190| nach einem der Croissants, die der Koch des Hauses nach original französischem Rezept mit aus Paris eingeflogenen Zutaten
buk.
»Hast du dich schon auf die Konferenz in Riad vorbereitet?« Es war typisch, dass sich seine Mutter bereits beim Frühstück
nach den Regierungsgeschäften erkundigte. Das hatte sie auch schon getan, als sein Vater noch lebte. Sie erteilte niemals
Ratschläge, stellte nur Fragen. Aber es waren kluge Fragen, die seinen Vater oft auf neue Ideen gebracht oder seine Gedanken
in die richtige Richtung gelenkt hatten.
Wenn Karim daran dachte, dass in den meisten arabischen Staaten die Klugheit der Frauen nicht nur ungenutzt blieb, sondern
geradezu mit Füßen getreten wurde, stieg jedes Mal Wut in ihm auf. Es war unfassbar, dass die Machthaber mancher Staaten selbst
die Annehmlichkeiten westlicher Technologie genossen, ihr Land aber in einem Zustand des finstersten Mittelalters hielten,
dass Dieben dort immer noch die Hand abgehackt wurde und dass Frauen keine Bildung bekamen, ja sich nicht einmal ohne männliche
Begleitung auf die Straße wagen durften.
»Es sind noch fast zwei Wochen. Ohnehin dürfte sich kaum jemand für meine Meinung interessieren. Ich bin viel zu jung, und
in den Augen vieler unserer Nachbarn ein Ungläubiger. Außerdem spielt Kalarein in der Weltpolitik nun wirklich keine Rolle.
Unser gesamtes jährliches Bruttosozialprodukt ist so groß wie das von Kuwait an drei Tagen. Wir sind unbedeutend. Ich weiß
nicht mal, warum ich überhaupt zu dieser Konferenz eingeladen wurde.«
»Hältst du das für Zufall?«
»Nun ja, immerhin sind wir offizielles Mitglied der Arabischen Liga. Aber trotzdem – was kann ein so kleines Emirat wie unseres
schon ausrichten, wenn die mächtigsten Männer der Welt an einem Tisch sitzen?«
|191| Seine Mutter sah ihn mit ihren klugen Augen an. »Musst du
Weitere Kostenlose Bücher