Der Duft
denn etwas ausrichten?«
Karim zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Muss ich?«
Seine Mutter lächelte. »Du bist noch jung. Die Konferenz ist eine großartige Chance für dich zu lernen. Und wer weiß, vielleicht
ergeben sich ja ganz neue Beziehungen. Immerhin hast du gegenüber den anderen Teilnehmern einen großen Vorteil.«
»Vorteil? Ich? Welchen denn?«
»Die Menschen, die dort zusammenkommen, sind untereinander verfeindet, nicht wahr?«
»Na, das kann man wohl sagen! Dass dieser neue US-Präsident es geschafft hat, Iran und Israel an einen Tisch zu bringen, ist
schon wirklich eine erstaunliche Leistung!«
»Und welches sind unsere Feinde an diesem Tisch?« Seine Mutter sah ihn über den Rand ihrer Teetasse hinweg an.
Karim überlegte einen Moment. »Wir haben keine. Kalarein wurde seit dreihundert Jahren nicht mehr in einen Konflikt verwickelt.
Nicht mal Saddam Hussein hat sich für uns interessiert.« Seine Miene erhellte sich. »Du hast recht! Wenn man es genau bedenkt,
bin ich vielleicht das einzige Staatsoberhaupt dort, das mit niemandem verfeindet ist!« Er sah seine Mutter überrascht an.
»Du meinst doch nicht etwa, dass ich so eine Art Vermittler sein soll, oder? Der Generalsekretär der Vereinten Nationen ist
doch da, und …«
Sie lächelte. »Welche Rolle du spielen willst, kannst nur du selbst entscheiden.«
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|192| 21.
»Gib mir das Fläschchen!« Marie streckte die Hand aus.
Rafaels Augen verengten sich. »Was soll das? Traust du mir nicht?«
»Das ist es nicht. Aber in deiner Brusttasche ist es nicht sicher. Es könnte herausfallen.«
»Und wo willst du es hintun? Du hast ja nicht mal eine Brusttasche!«
Marie lächelte nur leicht. Als Rafael ihr das Fläschchen gab, schob sie es einfach in ihren BH.
»Und du meinst, da findet es niemand, falls wir geschnappt werden?« Rafaels Stimme klang beleidigt. Er schien zu ahnen, dass
sie ihm das Glasröhrchen abgenommen hatte, um zu verhindern, dass er in seinem Übermut eine Dummheit machte.
Marie zuckte nur mit den Schultern. »Lass uns weiter gehen.«
Sie kämpften sich durch das dichte Buschwerk den Hang hinauf. Nachdem der Hubschrauber abgedreht war, hatte Marie neuen Mut
geschöpft. Doch der beschwerliche Aufstieg machte ihr immer deutlicher, wie hoffnungslos ihre Lage war. Mit viel Glück waren
sie ihren Häschern vorerst entkommen, doch diese würden die Jagd wahrscheinlich so schnell nicht aufgeben. Vielleicht hatte
man sie vom Hubschrauber aus gesehen, als sie vor den Büffeln geflohen waren. Vielleicht waren jetzt schon Männer mit Spürhunden
unterwegs. Selbst, wenn sie keine Hunde hatten – ihre Verfolger kannten sich in dieser Gegend aus, sie hatten Ausrüstung und
Proviant.
Der Gedanke erinnerte Marie daran, dass sie seit gestern |193| Mittag nichts mehr gegessen hatte. Ihre Füße schmerzten vom Klettern in ihren dafür völlig ungeeigneten Schuhen, ihre Beine
waren von Dornen und Steinen zerkratzt, in ihrem Haar hatten sich Blätter und kleine Zweige verfangen. Wenigstens hatte es
heute noch nicht geregnet; trotzdem war ihre Kleidung klamm von der hohen Feuchtigkeit der kühlen Bergluft und vom Tau auf
den Blättern. Sie wünschte sich nichts mehr als eine heiße Dusche.
Vor ihr kraxelte Rafael unverdrossen weiter. Hin und wieder hielt er inne und wartete auf sie. Wenn er konnte, half er ihr
über eine schwierige Stelle hinweg. Er klagte nicht, also wollte auch sie nicht klagen.
Marie hatte keine Ahnung wie spät es war, als Rafael abrupt stoppte. Er untersuchte einen Busch, an dem ein paar Zweige abgebrochen
waren. Dann änderte er die Richtung: Statt weiter den Berg hinaufzuklettern, wandte er sich nach rechts und setzte den Weg
quer zum Hang fort.
»Was machst du?«, fragte Marie. »Warum willst du nicht weiter bergauf?«
Er deutete auf den Busch. »Das waren Gorillas«, sagte er, als erkläre das seine spontane Richtungsänderung.
»Na und? Willst du jetzt etwa auch noch auf Gorillapirsch gehen?«
»Warum nicht? Touristen bezahlen eine Menge Geld dafür, diese Tiere einmal in ihrem Leben in freier Natur sehen zu können.«
Er grinste.
Marie sah ihn entgeistert an. Dann begriff sie. »Du willst dich einer solchen Touristengruppe anschließen!«
Er nickte. »Wäre doch eine gute Tarnung. Vermutlich wissen unsere Verfolger nicht genau, wie wir aussehen. Vielleicht können
wir so durch die Maschen schlüpfen.«
Marie nickte anerkennend. Wenn sie den
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