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Der Duft

Titel: Der Duft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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er den Arm aus
     und tastete im Loch herum. Der Bau war leer.
    Mit den Füßen voran schob er sich hinein. Er wusste, dass es tief im Inneren von Erdferkelbauten eine zentrale Höhle gab,
     die oft mehrere Schritt groß war und in der er sich bequem hätte ausstrecken können. Doch jetzt zog er es vor, hier in dem
     engen Gang zu bleiben – so konnte er wenigstens den Himmel sehen und die Höhle im Notfall schnell wieder verlassen.
    Bald wurde es dunkel, und ein mit Sternen übersäter Himmel spannte sich über ihm auf. Die Sterne funkelten zornig, als wären
     es die grellen Augen der Götter. Sie hatten seine Tat gesehen. Und wenn er bis ans Ende der Welt lief – sie würden über ihn
     richten!
    Peko lag zitternd in seinem Loch und überlegte, wie es sein konnte, dass sich sein Leben von einem Moment auf den anderen
     auf so schreckliche Weise hatte verändern können. Alles nur wegen eines dummen Streits mit Ollo. Nur, weil er einen kurzen
     Augenblick außer sich vor Wut gewesen war. Wenn er jemals wieder zu seiner Familie zurückkehrte, würde er sich nie wieder
     mit Ollo streiten, das schwor er sich. Er würde seinem Bruder hundert Holzfiguren schnitzen, die dieser alle zertreten durfte.
    Die Sterne verschwommen in seinen Tränen, bis ihn endlich der Schlaf für ein paar Stunden von seinen Sorgen erlöste.
    Als er erwachte, war der Himmel noch grau. Sein Körper schmerzte von dem langen Liegen in dem engen Loch, und |219| ihm war kalt. Er kletterte heraus und streckte sich. Dann fragte er sich, wovon er aufgewacht war.
    Er lauschte. Die Geräusche der Nacht waren noch da – das Zirpen der Zikaden, der Schrei eines Vogels, das glücklicherweise
     weit entfernte Lachen einer Hyäne. Die Stille des Tages, wenn die sengende Hitze die meisten Tiere in ihre Verstecke trieb,
     hatte noch nicht begonnen.
    Ein dumpfes, kollerndes Grollen ertönte. Wie der Donner bei einem der seltenen Gewitter, wenn die Götter ihren Zorn über die
     Menschen hinausbrüllten. Doch dieses Donnern war regelmäßiger, rhythmischer, beinahe wie die Trommeln beim Fruchtbarkeitsfest.
    Es wurde still. Auch die Tiere schienen für einen Moment den Atem anzuhalten und zu lauschen.
    Wieder ertönte das Donnern, und plötzlich wurde Peko klar, was es bedeuten musste: Die bösen Männer waren gekommen.

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    |220| 25.
    Marie starrte entgeistert auf die ausgestreckte Hand des Mannes. Sie war so verwirrt, dass ihr für einen Moment nicht mehr
     in den Sinn kam als der Gedanke, wie unhöflich es von ihm war, die schwarzen Lederhandschuhe zur Begrüßung nicht auszuziehen.
    »Sie wundern sich vielleicht, warum ich Deutsch spreche«, sagte der Mann, der sich als Nariv Ondomar vorgestellt hatte. »Ich
     habe in Heidelberg studiert. Dort habe ich auch Andreas Borg kennengelernt.«
    »Warum … haben Sie uns entführt?«, fragte Marie, als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.
    Ondomar lächelte. »Es tut mir leid, dass die Umstände mich dazu gezwungen haben. Andreas hat mir erzählt, Sie hätten ein wenig
     zu genau nachgeforscht, was er in seinem Labor macht. Da mussten wir natürlich eingreifen. Ich kann doch nicht zulassen, dass
     mein alter Freund ins Gefängnis kommt!«
    Marie spürte, wie ihr die Zornesröte ins Gesicht stieg. Doch bevor sie etwas sagen konnte, rief Rafael aufgebracht: »Borg
     macht Tierversuche an Menschenaffen!«
    Ondomar nickte. »Ja, das ist bedauerlich. Aber manchmal muss man für ein größeres Ganzes schmerzhafte Opfer bringen.«
    »Größeres Ganzes? Was für ein größeres Ganzes?«
    »Gerechtigkeit«, sagte Ondomar. »Gerechtigkeit für die Völker Afrikas und Asiens, die seit Jahrzehnten vom Westen ausgebeutet
     und von korrupten, verweichlichten Regimes unterdrückt werden.«
    »Und deshalb lassen Sie Borg Experimente an bedrohten |221| Tieren machen? Wozu? Ist es irgendein Gift, das er für Sie zusammenmischt, oder ein tödlicher Virus? Ist es das, was Sie mit
     Gerechtigkeit meinen – unschuldige Menschen umbringen?«
    Ondomar fixierte sie mit seinem Blick. Das Lächeln verschwand für einen Moment von seinen Lippen, kehrte aber rasch wieder
     zurück. »Unschuldig? Sie halten die Menschen im Westen für unschuldig? Weil sie nicht selbst in den amerikanischen Bombern
     sitzen, die in Afghanistan Männer, Frauen und Kinder töten? Ihre ›unschuldigen Menschen‹ kaufen im Supermarkt Produkte, die
     nur deswegen billig sind, weil sie von pakistanischen Kindern unter unwürdigen Umständen hergestellt

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