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Der Duft

Titel: Der Duft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Jeep. »Leg dich auf den
     Boden, verdeck deine Haut und rühr dich nicht!« Er selbst beugte seinen Oberkörper nach rechts, so dass man Arme und Kopf
     aus der Luft nicht sehen konnte. Seine Beine in den langen Kakihosen und braunen Lederschuhen |265| ließ er aus der Fahrertür hängen. Es wirkte, als sei er beim Versuch, den Wagen zu verlassen, erschossen worden.
    Marie begriff: Wenn sie sich tot stellten, würde es aussehen, als sei ein Jeep mit flüchtenden Dorfbewohnern von den marodierenden
     Truppen doch noch gestellt worden. Sie sprang heraus und legte sich neben den Wagen, wobei sie ihre Arme unter den Körper
     schob und ihre nackten Unterschenkel unter der Karosserie verbarg.
    In diesem Moment erschien der Hubschrauber über den Hügeln. Er flog tief und folgte dem Straßenverlauf. Marie erstarrte. Sie
     hatte keine Zeit gehabt, Peko zu erklären, was er tun sollte.
    Doch der Junge schien auch so zu begreifen, was sie vorhatten. Er war mit Marie aus dem Wagen gesprungen. Jetzt kauerte er
     sich über sie und wiegte seinen Körper vor und zurück. Aus der Luft musste es so aussehen, als trauere er um seine tote Mutter.
    Der Helikopter flog so dicht über ihnen, dass der Staub um den Jeep aufgewirbelt wurde und Marie Mund und Nase verklebte.
     Dann verharrte er einen Moment über der Stelle und folgte schließlich der Straße weiter nach Norden.
    Erst, als sie das knatternde Geräusch nicht mehr hörte, wagte es Marie, sich zu rühren. Sie nahm Peko in den Arm und gab ihm
     einen Kuss auf die Stirn. »Good boy!«, sagte sie.
    »Very good boy!«, bestätigte Rafael. Der Junge hatte ihnen wahrscheinlich das Leben gerettet. Ohne seine gespielte Trauer
     wäre den Männern im Hubschrauber möglicherweise aufgefallen, dass die beiden Leichen am Jeep Weiße waren. Dann wären sie sicher
     gelandet, um sich die Sache genauer anzusehen.
    So aber setzten sie unerkannt ihren Weg fort. Nach etwa einer Stunde erreichten sie eine weitere Siedlung. »Aunt |266| Kamuna here!«, rief Peko aufgeregt. Doch als sie die Dorfstraße entlangfuhren, rührten sich nur ein paar aufgeschreckte Hühner.
     Vor der Hütte, auf die Peko wies, hielten sie an, aber niemand war zu Hause. Die Häuser waren unversehrt, doch die Bewohner
     hatten das Dorf wohl aus Angst vor den marodierenden Truppen verlassen.
    In einem Wellblechschuppen fand Rafael einen vollen Benzinkanister, den er in den Jeep lud. Dann setzten sie ihren Weg nach
     Norden fort.
    Nach einer weiteren Stunde quälend langsamer Fahrt über die buckelige Piste sahen sie in der Ferne zwei Gestalten am Straßenrand.
     Ein alter Mann saß im Staub. Sein rechtes Bein war mit Lumpen umwickelt – offenbar war er verletzt. Neben ihm lag ein langer
     Ast, eine primitive Krücke. Eine Frau, seine Tochter vielleicht, stand über ihn gebeugt. Die beiden sahen auf, als sich der
     Jeep näherte. In ihren Augen lag Angst, doch sie konnten nicht fliehen, also blickten sie gefasst ihrem Schicksal entgegen.
    Rafael hielt neben ihnen. »Get in!«, rief er. »We are friends. We won’t harm you!«
    Die beiden schauten ihn verständnislos an, aber als Peko seinen Kopf aus dem Fenster steckte und etwas in seiner Sprache rief,
     hellten sich ihre Mienen auf. Marie und Rafael halfen dem alten Mann auf den Rücksitz. Die Frau weinte – ob vor Verzweiflung
     oder aus Dankbarkeit, war nicht zu erkennen.
    Es dauerte nicht lange, bis sie auf weitere Flüchtlinge stießen. Es schien sich um eine Großfamilie zu handeln, die neben
     einem Karren stand, der mit Habseligkeiten beladen war. Offenbar war die Achse gebrochen.
    Rafael fuhr langsam weiter. Es war klar, dass sie den Menschen nicht helfen konnten. Marie beobachtete Pekos Reaktion, doch
     er schien die Familie bei dem Karren nicht zu kennen.
    |267| Zehn Minuten später trafen sie auf eine dicke Frau mit drei Kindern. Eines trug sie auf dem Arm, die anderen beiden folgten
     ihr. Das Kleinere der beiden konnte kaum älter als drei Jahre sein. Es grenzte an ein Wunder, dass sie es so weit geschafft
     hatten.
    »Jetzt wird’s gemütlich«, sagte Rafael. Kurz darauf hatte Marie die beiden älteren Kinder auf dem Schoß. Die Mutter sprudelte
     über vor Dankbarkeit und plapperte die ganze Zeit in ihrer Sprache. Es schien sie nicht zu stören, dass Marie kein Wort verstand.
    Einige Stunden später konnte Rafael fast nur noch im Schritttempo fahren. Einerseits, weil sie jetzt immer mehr Menschengruppen
     auf dem Sandweg antrafen. Anderseits, weil jeder

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