Der Duke, der mich verführte
Doch aus irgendeinem Grund schien er nicht dazu in der Lage zu sein.
In hilfloser Geste hob sie die Hände und ließ sie wieder sinken. „Selbst ein Gespräch über das Wetter wäre eine erfreuliche Abwechslung. Alles wäre besser als dieses Stillschweigen. Ich sage es wirklich ungern, Bradford, aber wir sind gerade mal einen Tag verheiratet, und ich beginne mir bereits Sorgen über den Zustand unserer Ehe zu machen. Was ist aus dem charmanten Mann geworden, der mich vor wenigen Monaten noch so liebevoll geneckt und stets zum Lachen gebracht hat?“
Überrascht zog er die Brauen nach oben, wandte sich nun vollends zu ihr um, trat zu ihr und hielt direkt vor ihr inne.
Noch immer kam ihm kein Wort über die Lippen, doch das war in diesem Augenblick auch gar nicht nötig, sagte sein dunkler, begehrlicher Blick doch alles. In seinen Augen stand dasselbe ungezügelte Verlangen, das sie vorige Nacht darin gesehen hatte, als er bei ihr gewesen war und sie so innig liebkost hatte, bis sie unter seinen Händen wie besinnungslos dahingeschmolzen war.
Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, ehe sie ihn wissen ließ: „Ich fühle mich vernachlässigt. Und das gefällt mir nicht.“
„Ebenso wenig wie es mir gefällt, dass du dich von mir vernachlässigt glaubst.“ Und ehe sie es sich versah, packte er sie und trug sie zum Schreibtisch hinüber.
Diese unerwartete Liebesbezeugung ließ ihr das Herz in der Brust hüpfen. Sie zupfte an dem Revers seines Rockes und grinste neckisch. „Ganz schön forsch“, stellte sie fest.
„Ich gebe mein Bestes“, meinte er lächelnd, schloss die Arme fester um sie und drückte sie an sich, bis sie jeden Schlag seines Herzens, jede Kontur seiner gestählten Brust spüren konnte.
Nachdem er sie auf dem Schreibtisch abgesetzt hatte, ließ sie in gespannter Erwartung die Beine baumeln und sah ihm zu, wie er geschwind zu den Fenstern eilte und sich an den Vorhängen zu schaffen machte. Einen nach dem anderen zog er sie zu, bis der Raum im Dämmerlicht lag.
Aus großen Augen blickte sie ihm entgegen, als er entschlossenen Schrittes zu ihr zurückkam. Was um alles in der Welt hatte er vor? Etwa … das? Jetzt? Hier? Oh Schreck. Sie wollte es ja auch, aber nicht … jetzt. Nein. Nein, das ging ganz und gar nicht. Nicht in seinem Arbeitszimmer. Während draußen die Diener durchs Haus huschten.
Abwartend blieb er vor ihr stehen. „Wenn ich mich zu der Bemerkung hinreißen lassen darf, du siehst heute ausgesprochen schön aus.“
„Ich … wirklich?“
„Ja, wirklich.“
Sie lächelte ein wenig verunsichert und glättete verlegen mit den Händen ihr Kleid, da sie nicht wusste, was sie erwidern sollte. Noch nie hatte ihr jemand gesagt, dass sie schön aussähe. Hübsch, ja, das wohl. Aber nicht schön.
Er beugte sich zu ihr, bis der Minzgeruch seines Haarwassers ihr die Sinne betörte. „Dürfte ich fragen, woher du dieses Kleid hast?“
Irritiert schaute sie ihn an. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie meinen, ihr Gatte übe sich in Konversation. Keine sonderlich geistreiche Konversation, wie sie fand, aber immerhin. „Nun …“, begann sie, „… als ich vor zwei Jahren nach London kam und von Mode so viel verstand wie ein Krokodil, hat mir jemand diesen fantastischen Laden in der Regent Street empfohlen – The Nightingale. Kennst du ihn?“
Er schmunzelte. „Nein. Frauenkleider trage ich eher selten.“
„Dazu gibt es auch gar keinen Anlass“, entgegnete sie lachend. „Du siehst auch so umwerfend aus. Dieses Kleid habe ich jedenfalls dort gekauft. Letztes Jahr, für meine erste Saison. Leider konnte ich mir nur dieses eine leisten, denn das Nightingale ist furchtbar teuer, und da die Mittel meines Vaters begrenzt sind, habe ich mich entschieden, meine Garderobe auf weniger kostspielige Weise zu vervollständigen.“
„Das brauchst du jetzt nicht mehr, Liebste. Ich würde vorschlagen, wir kaufen den ganzen Laden leer, denn es ist offensichtlich, dass sie ihr Handwerk verstehen.“
Sie verdrehte die Augen. „So viele Kleider brauche ich gar nicht.“
„Da wäre ich aber anderer Ansicht. Wir sollten zudem nicht zu lange damit warten. Unser erster gemeinsamer Auftritt steht noch aus, und was böte sich da besser an als ein Bummel über die Regent Street?“
Sie strahlte ihn an. „Du willst dich mit mir zeigen?“
Nun war es an ihm, irritiert zu sein. „Natürlich will ich das. Es ist sogar meine erklärte Absicht, jeden Mann in London vor
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