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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Frank
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Mann ihre Hand entgegen, der sie ebenso formvollendet ergriff und eine leichte Verbeugung andeutete.
    »Die Freude ist ganz meinerseits, Signorina.«
    »Sie reiten also für leocorno? «
    »Si, Signorina, es ist mir eine Ehre.«
    »Mein Verlobter, Lorenzo del Pianta ist der fantino della pantera . Dann sind Sie und er ja Verbündete im Kampf um den Palio.«
    Signore Bertolli warf Eva Marias Vater einen verunsicherten Blick zu.
    »Gewiss, meine Liebe«, antwortete ihr Vater. »Sie werden sich während des Rennens gegenseitig unterstützen, nicht wahr, Signore Bertolli?« Der Fremde nickte hastig. »Genau darüber haben wir nämlich gerade gesprochen, als du kamst.«
    »Ach, wie reizend«, sagte Eva Maria, »es kam mir auch schon so vor, als hätte ich Lorenzos Namen gehört.« Sie warf ihrem Vater einen zornigen Blick zu.
    »Nun, Signore Bertolli«, wandte sich Eva Marias Vater wieder an den fantino. »Ich denke, wir haben alles besprochen.«
    »Gewiss, Signore Morelli.«
    »Dann werde ich jetzt weiter beim Verteilen des Sandes helfen«, verkündete Eva Marias Vater. »Der capitano darf sich auch vor dieser Arbeit nicht drücken. Sie entschuldigen mich?« Er umfasste den Unterarm seiner Tochter mit einem so festen Griff, dass sie die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht aufzuschreien, und dabei lächelte er sie scheinbar freundlich an. »Und du begleitest mich gewiss, mein liebes Kind?« Es klang wie eine Frage, was es – das wusste Eva Maria genau – keineswegs war.
    »Gerne, Vater«, antwortete sie mit säuerlichem Lächeln und nickte Signore Bertolli zum Abschied höflich zu.
    Kaum waren sie aber außer Hörweite, entwand sie sich mit einem heftigen Ruck aus der Umklammerung und zischte ihrem Vater zu: »›Gegenseitig unterstützen‹, ja? Mit dem nerbo den spennachiera runterschlagen oder wie genau habt Ihr Euch diese Unterstützung vorgestellt?« Sie wusste natürlich, dass es ein Fehler war, ihren Vater in diesem Ton zur Rede zu stellen. Aber ihre Wut und – ja, auch ihre Angst – waren so groß, dass sie nicht anders konnte.
    Das letzte Wort war noch nicht ganz verklungen, da spürte sie bereits den brennenden Schmerz auf ihrer linken Wange. Ihr Vater hatte sie auf offener Straße geohrfeigt! Gedemütigt und verletzt schossen Eva Maria die Tränen in die Augen, doch ihr Vater kannte kein Erbarmen: »Was habe ich nur verbrochen, dass ich mit einem so eigensinnigen und widerspenstigen Mädchen bestraft werde«, schimpfte er. »Es wird Zeit, dass du lernst, dich dem Manne unterzuordnen, und aufhörst, diese hetzerischen Schriften von dieser … dieser …«
    »Anna Maria Mozzoni«, sagte Eva Maria leise.
    »Wie?«
    »Der Name der Frau ist Anna Maria Mozzoni.«
    »Es ist mir egal, wie sie heißt und du hörst ein für alle Mal auf, dich in Dinge einzumischen, von denen du nichts verstehst, als Frau nichts verstehen kannst, und die dich auch nichts angehen!«
    Eva Maria senkte den Blick und biss sich auf die Lippen. Nein, ein Frauenrechtler war ihr Vater nicht. Und wenn sie ehrlich mit sich selbst war, dann musste sie zugeben, dass ihr Verlobter Lorenzo bei allen Diskrepanzen, die zwischen ihm und ihrem Vater herrschten, mit seinem zukünftigen Schwiegervater zumindest in diesem Punkt wohl einer Meinung war. Auch wenn sich Lorenzo am Beginn ihrer Beziehung anders geäußert hatte. Mit ein wenig Wehmut dachte sie an ihre Gespräche zurück, die sie mit Lorenzo über die Rolle der Frau in der Gesellschaft geführt hatte. Im Nachhinein musste sie einsehen, dass die von ihm geäußerte Zustimmung nur einem Zweck gedient hatte: ihr so gut zu gefallen, dass sie seinem Drängen nach Vereinigung nachgab.
    Man sagt, der Mann sei stark, die Frau schwach, aber wir kennen äußerst schwache Männer und sehr starke Frauen; mehr als das, der Mann wird ja zu körperlicher Aktivität erzogen, die Frau zu körperlicher Untätigkeit. Man sagt, der Mann überrage die Frau an Intelligenz, die Frau den Mann an Gefühl. Aber es gibt doch zahlreiche Männer, die vielen Frauen an Gefühlskraft überlegen sind, und viele Frauen, die Männer in der Intelligenz überragen. Die Erziehung, die alles daransetzt, die männliche Intelligenz zu favorisieren und zu fördern, tut ihr Bestes, die Intelligenz der Frauen hintenanzustellen und verkümmern zu lassen.
    Wie recht Anna Maria Mozzoni doch hatte.
    Eva Maria hob den Blick wieder und sah ihrem Vater direkt ins Gesicht: »Warum tut Ihr das?«, fragte sie.
    Ihr Vater sah sie

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