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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Frank
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sich von der Schmach zu reinigen.
    Sie hatte Gespräche über den Verlauf des Palio mitbekommen, in denen es hieß, es sei zu erwarten gewesen, dass das Stachelschwein gewinnt, denn das Banner sei vornehmlich in den Farben dieser Contrade – Rot, Blau und Schwarz auf weißem Grund – gestaltet gewesen.
    Ja, der Palio steckte eben voller Zeichen und Magie. Und der Sieg war alles, was zählte. Es gab nichts dazwischen. Es hieß alles oder nichts. Schwarz oder Weiß. Wie die Farben der Stadt.
    Doch für Maria zählte in diesen Tagen anderes. Tag und Nacht saß sie an Angelos Krankenbett, hielt seine Hand und betete darum, dass er wieder ganz gesund werden würde. Dass seine schwere Gehirnerschütterung, seine geprellten Rippen und das gebrochene Bein völlig verheilen würden.
    »Nein«, antwortete sie deswegen auch jetzt auf Angelos Frage, ob sie es nicht bedauerte, seinetwegen die Feierlichkeiten verpasst zu haben. »Nein, ich bedaure nichts.«
    Sie sah zur Seite und strahlte Angelo dankbar an, der sich neben ihr schwer auf Krücken stützen musste, um das eingegipste Bein nicht zu belasten. »Wenn ich mir vorstelle, deine Verletzungen wären noch schwerwiegender gewesen …«
    Angelo hob mühsam eine Hand und strich ihr liebevoll tröstend über die Wange. »Wie dumm wir waren«, sagte er, »uns wegen so einer Nichtigkeit derartig zu streiten.«
    Maria antwortete nicht, doch in ihrem Blick lag die Aufforderung, weiterzusprechen, denn sie hatte das Gefühl, dass Angelo noch nicht alles gesagt hatte, was ihm auf der Seele lag.
    »Weißt du«, fuhr er fort, »an dem Abend, als du Antonia und mich beobachtet hast, da ging es in unserem Gespräch ausschließlich um dich.«
    Maria zog überrascht die Augenbrauen hoch.
    »Ja«, bestätigte Angelo und seufzte. »Antonia hatte mir gestanden, dass sie dir einen Streich gespielt hat. Sie hatte beim Saubermachen mit dem Finger deinen Namen auf den Spiegel im Badezimmer geschrieben.«
    »Das war Antonia?!«
    Angelo nickte. »Und sie bekam ein schlechtes Gewissen, als sie merkte, wie sehr sie dir damit zugesetzt hatte. Sie erzählte mir, du wärst totenbleich geworden und beinahe umgekippt. So als hättest du einen Geist gesehen, als sie dir mit einem Wäschestapel im Arm im Flur begegnete.«
    Maria erinnerte sich an ihren Beinahezusammenstoß mit Antonia und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Ja, sie hatte damals tatsächlich geglaubt, Eva Marias Geist zu begegnen.
    »Ich fürchte, sie hat auch etwas mit dem kranken Baum zu tun. Vielleicht hat sie ihn mit irgendeinem Gift begossen oder so, aber das hat sie vehement bestritten. Ich weiß nicht, ob ich ihr glauben kann oder nicht.«
    Ein flüchtiger Gedanke schoss Maria durch den Kopf. Er hatte etwas mit Luigi, dem Sohn des Gärtners, und seinen Experimenten zu tun. Aber der Gedanke flog so schnell vorüber, dass sie ihn nicht richtig fassen konnte.
    »Antonia wird kündigen«, sagte Angelo in die Stille hinein. »Sie kommt wohl doch nicht damit zurecht, dass du und ich jetzt zusammen sind.«
    Maria nickte. Sie hatte schon damit gerechnet, nachdem Antonia ihr in den letzten Tagen ständig aus dem Weg gegangen war.
    »Da bleibt wohl nur noch die Frage, wer für die Beschädigung des Palio verantwortlich ist«, sagte Maria. Und wie das Bild der Frau, das ich fotografiert habe, in den Spiegel gekommen ist, dachte sie, scheute aber davor zurück, ihre Gedanken auszusprechen. Sie hatte das Foto aus ihrem Handy gelöscht und beschlossen, nicht mehr darüber nachzudenken. Auch wenn ihr das noch nicht immer gelang.
    Mittlerweile waren sie am Ziel ihres Weges, der links und rechts von Grabstätten gesäumt war, angekommen. Es war heiß. Die Luft sirrte. Und kein noch so kleiner Windhauch regte sich. Schweigend blickten Maria und Angelo auf den Grabstein zu ihren Füßen.
     
    Eva Maria Morelli
    1.6.1858 – 28.8.1880
     
    Ruhe in Frieden
     
    So stand es in einer altertümlichen Schrift auf dem weißen Marmor.
    Maria und Angelo fassten sich an den Händen. Hier standen sie, genau einhundertzweiunddreißig Jahre nach dem Tod der jungen Frau, und waren dankbar dafür, dass sie einander in Liebe verbunden waren und eine gemeinsame Zukunft vor ihnen lag. Nichts anderes hatte sich diese junge Frau gewünscht. Und war doch so bitter enttäuscht worden.
    Irgendjemand, vielleicht der Friedhofsgärtner, hatte am Todestag der Verstorbenen eine Kerze entzündet und auf die Grabplatte gestellt.
    Maria bückte sich und stellte den kleinen

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