Der dunkle Highlander
verdammt schwer, sich auf die Arbeit zu konzentrieren.
Sie thronte im Schneidersitz auf ein paar Kissen in einer Ecke und las im vierten Buch der Manannän. Vor ein paar Tagen hatte er es gegen den fünften Band eingetauscht, den er selbst durcharbeiten wollte, weil er schneller übersetzte als sie. Sehr zu ihrem Unmut waren die meisten Aufzeichnungen, die sie in der Kammer gefunden hatten, in längst vergessenen Dialekten verfasst, die sie nicht verstand. Zudem konnte sie manche Schriften gar nicht entziffern, und die Schreibweisen waren sehr unterschiedlich.
Er musterte sie vom Kopf bis zu den Zehen und unterdrückte ein begehrliches Knurren. Chloe trug heute ein dünnes, anschmiegsames lila Kleid - eins von denen, die Neil für sie geändert hatte. Dageus hegte den Verdacht, dass Neil absichtlich nur solche ausgesucht hatte, die ihn von allem anderen ablenkten. Dieses hier hatte einen tiefen Ausschnitt und ein eng anliegendes Mieder. Ihr Lockenhaar kräuselte sich um das liebliche Gesicht, und sie biss sich gedankenverloren auf die Unterlippe. Mit derselben Begeisterung wie Silvan vertiefte sie sich in die alten Geschichten und war derart davon gefangen, dass sie für alles andere taub und blind war.
Als sie ihre Position wechselte und sich auf den weichen Kissen mit dem Ellbogen abstützte, schoben sich ihre Brüste über dem Ausschnitt zusammen. Die Lust beschleunigte seinen Herzschlag. Er hatte sie gleich nach dem Aufwachen geliebt, wie jeden Morgen, aber er sehnte sich schon wieder danach, sein Gesicht in dieses köstliche Tal zu drücken, ihre zarten Brustwarzen zu küssen und zu lecken, bis sie stöhnte und seinen Namen rief.
Die letzten zehn Tage waren wie im Flug vergangen - viel zu schnell für seinen Geschmack. Er hätte die Zeit am liebsten angehalten, um jeden einzelnen Tag zu einem ganzen Jahr zu verlängern. Um ein ganzes Leben in das Hier und Jetzt zu pressen und die bittersüße Freude auszukosten, eine Gefährtin zu haben.
Süß, weil er seine Frau gefunden hatte.
Bitter, weil er sich im Zaum halten musste und die Versprechen nicht geben konnte, die ihm auf der Seele brannten. Versprechen, die er nicht geben konnte, weil seine Zukunft ungewiss war. Er konnte ihr nicht einmal sagen, was er wusste, denn Chloe hatte ihn nie wieder nach dem Fluch gefragt.
Dabei wollte er ihr alles erzählen. Er musste ihr unbedingt reinen Wein einschenken. Sie sollte wissen, wer er war, und er musste wissen, ob sie ihn dann immer noch akzeptierte. Dreimal hatte er sich vorgetastet - einmal in ihren Träumen, einmal, als sie im silbrigen Schein des Halbmonds durch den Garten schlenderten. Im Traum schreckte sie zurück, und im Wachzustand wich sie ihm aus.
Als er ein drittes Mal die Sprache auf den Fluch bringen wollte, wandte sie eine seiner Taktiken an, zog seinen Kopf zu sich und brachte ihn mit einem Kuss zum Schweigen. Schließlich hatte er nicht nur vergessen, was er sagen wollte, sondern auch, in welchem Jahrhundert sie sich befanden.
Es war ganz und gar untypisch für ihn, sich einer schwierigen Situation nicht zu stellen; doch er beugte sich ihrem Diktat und ließ die Sache auf sich beruhen.
Er bezweifelte nicht, dass sie letzten Endes fragen würde. Chloes Neugier war unbezähmbar. Dageus war sich bewusst, dass er ihr in wenigen Tagen sehr viel zugemutet hatte: eine Zeitreise, seine Ausbildung als Druide, die Aufzeichnungen über die Völker der alten Legenden, seltene Schätze und seinen unersättlichen sexuellen Appetit. Sie hatte sich als erstaunlich belastbar erwiesen. Wenn sie ein wenig Zeit brauchte, um all das zu verdauen, ehe sie weiterforschte, musste er ihr diese Verschnaufpause gewähren.
In den vergangenen zehn Tagen hatte er das Bittere außer Acht gelassen und sich nur auf das Süße konzentriert; aus ihrem sonnigen Optimismus und ihrer Begeisterung hatte er Kraft geschöpft. Seine Faszination wuchs mit jedem Tag. Er hatte gewusst, dass sie intelligent, stark und aufrichtig war, aber im Grunde waren es die Kleinigkeiten, die ihn verzauberten. Die Art, wie sich ihre Augen weiteten, wenn immer Silvan eine bestimmte Passage aus den Schriften vorlas. Ihre Haltung, als sie sich lange über den Pakt beugte, die Goldplatte begehrlich betrachtete, sie aber nicht berührte, aus Angst, das weiche Gold mit einem Fingerabdruck zu beschädigen. Ihre Fröhlichkeit, wenn sie nach dem Abendessen seine kleinen Halbbrüder durch die Große Halle jagte und so tat, als wäre sie »ein kleines, böses
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