Der dunkle Ritter (German Edition)
Seine große Nähe erzeugte eine fast greifbare Hitze auf Emmalyns Rücken. In der sanften Brise, die durch das offene Fenster hereinwehte, nahm Emmalyn den reizvollen würzigen Duft seines Nelkenölbades wahr und einen leichten Moschusduft, von dem sie unerklärlicherweise wusste, dass es sein eigener Geruch war. Sie zuckte zusammen, als sein Arm sich neben dem ihren ausstreckte und in die Richtung wies, in die sie zeigte.
»Ah, ja«, sagte er neben ihrem Ohr. »Jetzt sehe ich es.«
Sein Atem war warm, fast so warm wie der tiefe Klang seiner Stimme. Emmalyn fühlte, dass sich ein seltsames Gefühl in ihr regte, etwas, das ihr ebenso sehr Angst einflößte, wie es versuchte, sie zu verführen. Es war Faszination, erkannte sie erschrocken. Faszination für einen Mann des Krieges – für jemanden, der sein Einkommen durch Gewalt und Mord bestritt. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte, ihn aus ihren Sinnen auszusperren, was jedoch in dem Augenblick zunichte wurde, in dem er weitersprach.
»Ich glaube, ich habe noch nie so viel Schönheit gesehen, Mylady.«
Emmalyn wandte sich um; sie war nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte. Sprach er von Fallonmour – dem Stück Land, von welchem er gerade heute Morgen behauptet hatte, er sei daran nicht interessiert – , oder sprach er über etwas anderes? Sie sah ihn verwirrt an und konnte den Blick nicht von ihm losreißen. Sie wagte weder sich vorzustellen, was er mit seiner Bemerkung gemeint hatte, noch getraute sie sich, ihn zu fragen.
Die Luft um sie herum schien dichter zu werden, machte es ihr schwer zu atmen, machte es unmöglich, klar zu denken. Du lieber Gott, wie hatte sie nur so dumm sein können, ihm so nahe zu kommen? Er war nah genug, sie zu berühren. Nah genug, sie zu küssen. Als lägen ihre ungebetenen Gedanken offen vor ihm, glitt Sir Cabals Blick langsam zu ihren Lippen. Emmalyn erstarrte und war unfähig zu atmen. Ihr war klar, dass sie davonlaufen sollte, doch sie war außerstande, ihren Beinen den Befehl dazu zu geben. Welcher Wahnsinn es war, sich nach dem Kuss dieses Mannes zu sehnen! Denn sie sehnte sich danach, mit jeder Faser ihres Seins.
Ihr Herz klopfte einen ohrenbetäubenden Trommelwirbel, steigerte sich heftig, als er die Hand ausstreckte, um eine ihrer widerspenstigen Haarlocken zwischen seine Finger zu nehmen. Mit einer Geste, die zu zart zu sein schien für einen Mann von seiner Kraft und Größe, strich er die Locke hinter ihr Ohr zurück. Emmalyn schluckte mühsam und fühlte sich hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen nach seinem Kuss und dem Wunsch, er möge gehen.
Als spüre er ihre Unentschlossenheit, verzog sich die strenge Linie seines Mundes zu einem trägen, wissenden Lächeln. »Vielleicht ist es Zeit, Mylady, dass Ihr mich der Garnison von Fallonmour vorstellt.«
5
Cabal folgte Lady Emmalyn auf dem Fuß, als sie das Zimmer verließ. Seine Glieder waren noch schwer von der Macht seines Verlangens nach ihr, sein Puls dröhnte ihm noch in den Ohren. Sich am Fenster hinter sie zu stellen war eine leichtfertige Dummheit gewesen. Er hatte hinreichend Zeit gehabt, diese Tatsache zu bemerken, aber wie ein Dürstender, der in der Wüste von der Illusion eines Gewässers angezogen wurde, hatte nichts ihn davon abbringen können, ihr nahe zu sein. Doch ihr so nahe zu sein hatte auch einen verdammt harten Kampf gekostet, sich zu zwingen, sie nicht anzufassen. Es war ihm nahezu unmöglich gewesen, sich zu bezähmen und die Fülle ihrer seidigen blonden Haare nicht zur Seite zu streichen und die anmutige Kurve ihres Nackens zu liebkosen. Von dieser einen Stelle, die so süß und so warm war wie ihr faszinierend weiblicher Duft.
Das Wissen darum, dass sie ihn hätte gewähren lassen, beunruhigte Cabal, als er mit ihr den Turm verließ und auf den Burghof trat, in dem rege Geschäftigkeit herrschte.
Lady Emmalyns Erscheinen zog die Aufmerksamkeit der Wachposten auf sich, die sich am entgegengesetzten Ende des grasbewachsenen Hofes befanden. Die meisten von ihnen lehnten sich gegen die im Schatten liegende Mauer der Einfriedung, während sie sich Ale aus Krügen einschenkten und sich unterhielten. Der Älteste der Männer kam sofort zu ihr herüber. Seine stolze Haltung und das selbstbewusste Auftreten verrieten ihn als den Captain der Garnison.
»Sir Miles«, grüßte Emmalyn herzlich, als der grauhaarige Ritter sich respektvoll vor ihr verbeugte.
»Mylady, die Burg ist schon den ganzen Vormittag erfüllt von der
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