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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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zweieinhalb Stunden vorwärts. Wie lange geht dieser Schwachsinn denn noch weiter?, fragte er sich. Den ganzen Tag? Bis in alle Ewigkeit?
    »… also bringst du dein Kind zum Doktor – zum Psychologen – und erzählst ihm, dass es die ganze Zeit über schreit und Wutanfälle hat.« Auf dem Kaffeetisch lagen neben einer Dose Bier nun zwei Beutel mit Gras, das Luckman sorgfältig untersuchte. »Und es lügt, das Kind lügt. Erfindet übertriebene Geschichten. Und der Psychologe untersucht das Kind und seine Diagnose lautet: ›Madam, Ihr Kind ist hysterisch. Sie haben ein hysterisches Kind. Aber ich kann Ihnen leider auch nicht sagen, woran das liegt.‹ Und dann begreifst du, die Mutter, dass deine große Stunde gekommen ist, und du sagst ihm die Wahrheit ganz locker ins Gesicht: ›Ich weiß, woran das liegt, Doktor. Nämlich daran, dass ich eine hysterische Schwangerschaft hatte.‹« Luckman und Arctor lachten beide – und auch Jim Barris fiel in ihr Gelächter ein. Er war irgendwann während der letzten zwei Stunden zurückgekommen und saß jetzt neben ihnen; er arbeitete wieder an seiner Hasch-Pfeife – er war immer noch nicht damit fertig, den Pfeifenkopf mit weißem Bindfaden zu umwickeln.
    Wieder spulte Fred das Band um eine volle Stunde vor.
    »… dieser Typ«, sagte Luckman gerade und strich das Gras in einer kleinen Schachtel glatt, während Arctor ihm gegenübersaß und ihm mit halbem Auge dabei zusah, »trat im Fernsehen auf und behauptete von sich, ein weltberühmter Hochstapler zu sein. Im Laufe seiner Karriere, erzählte er dem Interviewer, sei er in einer Vielzahl von Rollen aufgetreten, unter anderem als berühmter Chirurg am John Hopkins Medical College, als Physiker, der mit einem staatlichen Forschungsstipendium in Harvard an der Theorie beschleunigter subatomarer Teilchen gearbeitet hatte, als finnischer Schriftsteller, der den Literaturnobelpreis gewonnen hatte, als abgesetzter argentinischer Staatspräsident, der jetzt verheiratet war mit…«
    »Und damit ist er durchgekommen?«, fragte Arctor. »Man hat ihn nie erwischt?«
    »Nun, der Typ hat sich nie als irgendeiner dieser Leute ausgegeben. Er hat sich nie als irgendwas ausgegeben – außer als weltberühmter Hochstapler. Das kam später durch einen Artikel in der L. A. Times heraus, die hatten die Geschichte nachgeprüft. Der Typ war ’n Besenschwinger in Disneyland gewesen, jedenfalls so lange, bis er die Autobiographie eines weltberühmten Hochstaplers in die Finger bekam – es gab nämlich wirklich mal so einen – und sich sagte: ›Zum Teufel, wenn der sich als diese ganzen exotischen Typen ausgibt und damit durchkommt, dann kann ich das schon lange.‹ Aber später hat er sich’s wohl anders überlegt und sich gesagt: ›Was soll das eigentlich, ich werd mich einfach als Hochstapler ausgeben.‹ Er hat auf diese Weise 'ne Menge Moos gemacht, stand in der Times. Fast so viel wie der echte weltberühmte Hochstapler. Und er sagte, es wäre so viel einfacher gewesen.«
    Barris, der immer noch Bindfaden aufwickelte, sagte wie zu sich selbst: »Auch wir sehen ab und an Hochstapler. In unserer nächsten Umgebung. Aber sie geben sich nicht als Physiker für subatomare Teilchen aus.«
    Luckman sah ihn an. »Rauschgiftermittler meinst du. Yeah, Rauschgiftermittler. Ich frage mich manchmal, wie viele Rauschgiftermittler wir kennen. Wie sieht so ein Rauschgiftermittler eigentlich aus?«
    »Das ist ja, als würdest du fragen: Wie sieht so ein Hochstapler eigentlich aus?«, sagte Arctor. »Ich hab mich mal mit einem großen Hasch-Dealer unterhalten, der hopsgenommen wurde, als er gerade zehn Pfund in seiner Tasche hatte. Ich hab ihn gefragt, wie der Rauschgiftermittler, der ihn hatte auffliegen lassen, denn aussah. Ihr wisst schon, der – wie sagt man doch gleich – der Lockvogel, der sich als Freund eines Freundes ausgab und ihn dazu brachte, ihm etwas Hasch zu verkaufen.«
    »Die sehen vermutlich«, meldete sich Barris, »ganz genau so aus wie wir.«
    »Viel echter als wir«, erwiderte Arctor. »Dieser Typ, dieser Hasch-Dealer, meine ich – er war übrigens schon verurteilt worden und musste am nächsten Tag in den Bau –, der erzählte mir: ›Sie haben längere Haare als wir.‹ Die Lehre, die man also daraus ziehen kann, ist wohl: Halte dich bloß von Typen fern, die so aussehen wie wir.«
    »Es gibt auch weibliche Rauschgiftermittler«, sagte Barris.
    Arctor sah ihn an. »Ich möchte wirklich gerne mal einen Rauschgiftermittler

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