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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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das Geld für ihren Stoff zusammenzubringen. Sie wohnte mit ihrem Dealer zusammen, der – was ja auf der Hand lag – auch ihr Zuhälter war. Gewöhnlich war Dan Mancher tagsüber weg, was günstig für Arctor war. Der Dealer war zugleich auch selber süchtig, doch Arctor hatte bisher nicht herausfinden können nach welchem Stoff. Offensichtlich nach einer ganzen Reihe von Drogen. Um welchen Stoff es sich auch immer handeln mochte – er hatte Dan seltsam und bösartig werden lassen, unberechenbar und gewalttätig. Es war ein Wunder, dass die örtliche Polizei ihn nicht längst wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit eingebuchtet hatte. Vielleicht waren die Beamten bestochen oder, was wahrscheinlicher war, es war ihnen einfach egal. Dieses merkwürdige Pärchen lebte in einem Slumviertel, in dem sonst nur Rentner und andere arme Leute hausten, und die Polizisten betraten das Cromwell Village mit seinen heruntergekommenen Häusern, den Müllkippen, Parkplätzen und Straßen, die wie Schuttabladeplätze wirkten, nur dann, wenn es sich absolut nicht vermeiden ließ, also etwa bei Kapitalverbrechen.
    Auf der ganzen Welt schien es nichts zu geben, was mehr Schmutz und menschliches Elend produzierte als solche endlosen Straßenzüge mit ihren grauen, tristen Mietskasernen, die eigentlich gebaut worden waren, um die Leute aus dem Schmutz und dem Elend herauszuholen. Arctor stellte seinen Wagen ab, fand den richtigen, nach Urin stinkenden Treppenaufgang, stieg hinauf in die Dunkelheit und entdeckte schließlich die Tür zu ihrem Apartment, die mit einem G gekennzeichnet war. Eine volle Dose Drano lag davor – er hob sie automatisch auf und fragte sich, wie viele Kinder hier wohl spielen mochten. Einen Augenblick lang erinnerte er sich an seine eigenen Kinder und daran, was er über die Jahre hinweg alles unternommen hatte, um sie vor Gefahren zu schützen. Dazu hätte auch gehört, eine solche Dose aufzuheben. Er hämmerte mit der Dose gegen die Tür.
    Sofort rasselte das Türschloss und die mit einer Kette gesicherte Tür öffnete sich einen Spalt weit. Das Mädchen, Kimberly Hawkins, spähte heraus. »Ja?«
    »Hallo«, sagte er. »Ich bin’s, Bob.«
    »Was hast du da in der Hand?«
    »Eine Dose Drano.«
    »Scherzkeks.« Sie löste apathisch die Kette. Auch ihre Stimme klang apathisch; Kimberly war down, das konnte er sehen, absolut down. Außerdem hatte sie ein blaues Auge und eine Wunde an der Lippe. Und als Arctor sich umblickte, sah er, dass die Fenster des kleinen, völlig verdreckten Apartments zersplittert waren. Glasscheiben lagen auf dem Boden, zusammen mit dem Inhalt umgekippter Aschenbecher und leeren Cola-Flaschen.
    »Bist du allein?«, fragte er sie.
    »Yeah. Dan und ich hatten einen Streit und dann ist er abgehauen.« Das Mädchen – ein Chicano-Halbblut, klein und nicht besonders hübsch, mit der gelblichen Gesichtsfarbe der Schnee-Freaks – starrte ausdruckslos zu Boden und Arctor bemerkte ein seltsames Raspeln in ihrer Stimme, wenn sie sprach. Manche Drogen bewirkten das, aber es konnte auch von einer schweren Kehlkopfentzündung herrühren. Da die Fenster kaputt waren, ließ sich das Apartment nicht mehr richtig heizen.
    »Er hat dich geschlagen.« Arctor stellte die Dose auf ein Regal neben eine Reihe Porno-Taschenbücher, die meisten davon uralt und vom vielen Lesen zerfleddert.
    »Tja, er hatte sein Messer nicht dabei, Gott sei Dank. Das Messer, das er jetzt gewöhnlich immer in einer Scheide am Gürtel trägt.« Kimberly ließ sich in einen schweren Plüschsessel fallen, aus dem schon die Sprungfedern ragten. »Was willst du, Bob? Ich bin im Arsch, wirklich.«
    »Willst du, dass er wieder zu dir zurückkommt?«
    »Tja…« Sie zuckte mit den Achseln. »Wer weiß?«
    Arctor ging zum Fenster und blickte hinaus. Dan Mancher würde ganz bestimmt früher oder später wieder auftauchen – das Mädchen war eine Geldquelle und Dan wusste, dass sie Nachschub brauchen würde, wenn ihr der Stoff ausging. »Wie lange reicht’s noch?«, fragte er.
    »Einen Tag.«
    »Kannst du nicht irgendwo anders was kriegen?«
    »Yeah, aber nicht so billig.«
    »Was ist mit deiner Kehle los?«
    »Ne Erkältung. Von dem Wind, der reinkommt.«
    »Du solltest…«
    »Wenn ich zum Arzt gehe, dann sieht er, dass ich kokse. Ich kann da nicht hingehen.«
    »Einem Arzt wäre das egal.«
    »Klar doch.« Plötzlich schien sie zu lauschen. Da war ein Geräusch – ein Autoauspuff, unregelmäßig und laut. »Ist das Dans Wagen?

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