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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Seele ist vermutlich alles andere als einfach. Sie wird eine Hornhaut haben, an der alle Versuchungen abprallen. Habt Ihr noch weitere Fragen, oder kann ich jetzt meine Arbeit wieder aufnehmen?«
    »Es läutet zur Non, und ich werde jetzt gehen. Ich habe zwar noch viele Fragen an Euch, aber ich werde sie ein anderes Mal stellen. Fürs Erste habe ich einen Eindruck erhalten, der mir genügt, um weitere Schritte einzuleiten.«
    »Und Euer Eindruck ist, dass wir ein böswilliger Haufen einfältiger Weiber sind, die sich beständig neue Ketzereien ausdenken. Oder?«
    »Ach, wisst Ihr, Begine, was die Ketzereien anbelangt, werde ich milde urteilen, denn schon unser verehrter Kirchenvater Augustinus hat gesagt: ›Nur große Menschen haben Ketzereien hervorgebracht‹.«
    Vielleicht hatte Maria diesmal ein Erbarmen, denn es gelang Almut, jegliche Antwort hinunterzuschlucken. Aber sie erstickte fast daran.
    Als die Sonne lange Schatten warf, hatte Almut den staubigen Kittel ausgezogen und sich gewaschen, die Zöpfe gelöst und die langen, kastanienbraunen Haare, die sich, weil sie zuvor fest geflochten waren, noch leicht wellten, ausgiebig gebürstet. Dann hatte sie ihr leinenes Unterkleid angezogen und die graue Beginentracht darüber angelegt. Die Haare hatte sie wieder in Flechten aufgesteckt und mit den weißen Leinenstreifen des Gebändes befestigt. Darüber legte sie den grauen Schleier. So nüchtern gewandet, machte sie sich auf den Weg zur Meisterin, die sie und Thea sprechen wollte.
    »Pater Ivo von Groß St. Martin, sagst du?«
    Magda saß in dem einzigen Sessel im Raum in der Nähe des offenen Fensters, Thea und Almut besetzten die Holzbank neben dem Kamin. Almut hatte gerade von dem nachmittäglichen Besuch berichtet.
    »Kennst du ihn, Magda?«
    »Ich habe von ihm gehört. Zumindest meine ich das. Er ist noch nicht lange in Köln, vielleicht drei oder vier Jahre. Als letztes Jahr der Prior sein Amt niedergelegt hat, wollte man ihn als Nachfolger wählen, aber er hat es abgelehnt.«
    »Das wundert mich. Er wirkt durchaus so, als ob er eine Gemeinschaft leiten könnte.«
    »Was hattest du sonst für einen Eindruck von ihm?«
    »Erstaunlich gebildet und erstaunlich eingebildet. Schnell und gnadenlos in seinem Urteil.«
    »Hast du dich mit ihm gestritten?«
    Almut konnte nicht vermeiden, dass ihr die Röte in die Wangen schoss.
    »Du stellst dir ständig selbst Fallen, Almut. Das Thema ist zu ernst, als dass man sich mit Wortgeplänkeln bloßstellen darf. Er war dabei, als der Weinhändler von Giftmischereien sprach, und wenn er uns jetzt tatsächlich vorwirft, den Messwein vergiftet zu haben, dann stecken wir wirklich in Schwierigkeiten.«
    »Und auch wegen Ketzerei hat er jetzt noch einiges mehr in der Hand. Warum musste Clara auch das Buch im Refektorium liegen lassen!« Thea schüttelte den Kopf.
    »Sie wollte beim Abendessen daraus vorlesen, hat sie mir gesagt. Ich habe ihr zu verstehen gegeben, das sei nicht erwünscht. Sie wird es jetzt unter Verschluss halten. Kommen wir noch mal auf den Vorwurf der Giftmischerei zurück. Ihr beide wart dabei, als der Burgunder starb. Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass sein Tod herbeigeführt worden ist?«
    »Nicht von uns, Meisterin«, stellte Thea mit Nachdruck fest. »Ich habe an der Arznei gerochen, es war wirklich Elsas Hustenelixier, das wir selbst auch hin und wieder einnehmen.«
    »Hast du den Krug wieder mitgebracht?«, fragte Almut.
    »Er war verschwunden, und die Magd wusste auch nichts über seinen Verbleib.«
    »Das ist nicht gut.«
    »Nein, aber hätte ich zu eindringlich nachgeforscht, hätte auch das einen falschen Eindruck hinterlassen.«
    »Das ist wohl richtig. Erstaunlich, dass sie euch überhaupt ins Haus gelassen haben.«
    »De Lipa war nicht da. Er ist gestern Abend noch zu seinem Weingut aufgebrochen und wird erst in einigen Tagen wieder zurückerwartet. Seine Frau war uns ganz dankbar, dass wir die Aufgabe übernommen haben, den Toten herzurichten. Ich hatte den Eindruck, sie mochte den Jungen nicht – weder lebend noch tot.«
    »Sie hat aber keine Anschuldigungen ausgesprochen?«, fragte Magda nach.
    »Nein, im Gegenteil. Sie hat sich sogar für die heftige Reaktion ihres Gatten entschuldigt. Sagte, er habe sich sehr für den Jungen interessiert und große Hoffnungen in ihn gesetzt.«
    »Ja, de Lipa hat keine Kinder«, stellte Magda fest.
    »Verwunderlich, nicht wahr. Frau Dietke ist noch jung, sie sind seit drei Jahren verheiratet, aber

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