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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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und mit ebenso lauter Stimme bekannt gab: »Der Leichnam hat nicht geblutet, die Beschuldigte hat die Bedingungen erfüllt, mit denen Gott zum Urteil aufgerufen wurde. In seiner Weisheit und Güte hat er uns bewiesen, dass sie schuldlos ist am Tod des Jean de Champol. Lasst uns beten!«
    Ein langer, weiter Umhang umhüllte sie, und die Beginen bildeten wieder einen dichten Ring um sie.
    »Gut gemacht!«, flüsterte Clara. »Aber wer war die Verrückte mit dem Kranz?«
    »Psst!«
    Almut war sich nicht sicher, ob sie je wissen würde, wer sie wirklich war.
    Bruder Johannes ignorierte mit der Macht der Gewohnheit seinen schmerzenden Magen, doch es kostete ihn heute mehr Willensstärke als üblich. Wenn auch die Bahrprobe nicht so ausgegangen war, wie er es erhofft hatte – Pater Ivo möge in der finstersten Hölle schmoren! –, so hatte er doch ein weiteres belastendes Indiz gefunden. Jean de Champol war beerdigt worden, und er hatte sich den de Lipas angeschlossen, um ihnen seinen geistlichen Beistand anzubieten. Auch Pater Ivo hatte das tun wollen, aber ein einsichtiger Gott hatte einen Boten geschickt und ihn zu seinem Prior beordert, um Nachrichten vom Erzbischof entgegenzunehmen. Die Unterredung mit der Dame des Hauses hatte sich gelohnt, sie hatte noch ein Gewissen, das unter der Androhung von Höllenstrafen zuckte. Und als es zur Vesper läutete, machten sich Bruder Johannes, der Weinhändler und seine bleiche Gemahlin noch einmal auf den Weg zum Eigelstein, um die verstockte Begine endgültig des Mordes zu überführen.
    Die Beginen saßen im Refektorium und genossen das Vespermahl, das Gertrud zubereitet hatte. Einzig Elsa nahm nicht an dem Essen teil, Magda hatte ihr schon am Tag zuvor befohlen, in ihrem Haus zu bleiben und zu schweigen, bis sie diese Strafe aufhob.
    Almuts Appetit war wiedergekehrt, und sie nahm sich noch eine zweite Portion des wirklich ausgezeichneten Rebhuhns. Die Stimmung war gelöst, seit der belastende Vorwurf aus der Welt geräumt worden war, und obwohl Clara nach dem Essen eine erbauliche Märtyrerinnengeschichte vorlas, wurde hier und da sogar leise gelacht.
    Die Stimmung schlug um, als eine der Mägde eintrat und ankündigte, dass Bruder Johannes Deubelbeiß mit den de Lipas am Tor Einlass forderte.
    »Was wollen die denn jetzt noch hier?«, fragte Clara empört.
    »Na, bestimmt nicht um Verzeihung bitten!«, vermutete Thea zu Recht.
    Magda schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern.
    »Wir können sie schlecht vor dem Tor stehen lassen. Hören wir uns an, was sie zu sagen haben. Aber ich bitte euch um äußerste Besonnenheit.«
    Die drei Besucher wurden in das Refektorium geführt und gebeten, Platz zu nehmen. Der starke Essensgeruch, der noch in der Luft hing, verursachte Bruder Johannes Qualen, und sein Gesicht färbte sich grünlich. Aber dennoch gelang es ihm, sein Anliegen in kurzer und deutlicher Form vorzutragen.
    »Es hat sich das Gift gefunden!«
    Ein Stöhnen ging durch die Gruppe, als er das Glasfläschchen vor sich auf den Tisch stellte.
    »Gebt Ihr zu, dass dieses Behältnis aus Eurem Haus stammt?«, fragte er in die Runde.
    »Derartige Fläschchen gibt es viele, Bruder Johannes!«
    Magda war nicht bereit, irgendetwas kampflos zuzugeben, doch Bruder Johannes sah sie scharf an.
    »Holt mir die Apothekerin, ich sehe sie nicht unter Euch. Sie wird sich erinnern können, worin sie ihre Mittel abfüllt.«
    Da sich Elsas Verhalten bei der letzten Begegnung mit dem Inquisitor als äußerst belastend dargestellt hatte, lag der Meisterin nichts ferner, als sie ein zweites Mal zu einer Aussage zuzulassen. Sie sah zu Almut, und die verstand diesen Blick sofort.
    »Das erübrigt sich. Ich selbst habe dieses Krüglein zu de Lipa gebracht. Es enthielt eine heilsame Hustenarznei, kein Gift!«
    »Das behauptet Ihr. Dann werdet Ihr jetzt vor Zeugen den Inhalt dieses Gefäßes zu Euch nehmen.«
    Schweigend starrte Almut den Dominikaner an. Wenn irgendjemand im Hause de Lipa ein Gift in den Hustensaft gemischt hatte, dann war das jetzt ihr Todesurteil.
    »Das könnt Ihr nicht verlangen!«, herrschte Magda den Mönch an. »Ihre Unschuld wurde heute in der Kirche vor Gott selbst bewiesen. Ihr habt kein Recht, weitere Forderungen zu stellen!«
    »Wenn sie unschuldig ist – wie Ihr sagt – dann wird sie an dem harmlosen Hustenmittel – wie Ihr meint – ja keinen Schaden nehmen!«
    »Wer kann uns gewährleisten, dass es wirklich die ursprüngliche Arznei ist, die sich darin

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