Der Dunkle Turm 3 - Tot
wieder in Sicherheit ist. Als Roland ihm die Arme um die Taille schlang, legte Jake seine um den Hals des Revolvermanns und drückte sie zusammen wie Stahlklammern.
»Ich werde dich nie wieder allein lassen«, sagte Roland, der nun selbst zu weinen anfing. »Ich schwöre dir beim Namen aller meiner Väter: Ich werde dich nie wieder allein lassen.«
Doch sein Herz, der stumme, wachsame, lebenslängliche Gefangene des Ka, hörte die Worte dieses Versprechens nicht nur verzagend, sondern zweifelnd.
Zweites Buch
LUD
Gehäuf zerbrochner Bilder
IV.
Dorf und Ka-tet
1
Vier Tage nachdem Eddie ihn ohne sein ursprüngliches Paar Hosen und die Turnschuhe, aber noch im Besitz des Ranzens und seines Lebens durch das Tor zwischen den Welten gezogen hatte, erwachte Jake, weil ihm etwas Warmes und Nasses über das Gesicht strich.
Wäre ihm das an einem der drei vorangegangenen Tage passiert, hätte er seine Gefährten zweifellos mit seinen Schreien aufgeweckt, denn er war fiebrig gewesen, und Träume von dem Mörtelmann hatten seinen Schlaf gequält. In diesen Träumen rutschte seine Hose nicht, der Torwächter behielt ihn fest in der Hand und stopfte ihn in das unaussprechliche Maul, wo die Zähne zuschnappten wie die Balken, die ein Burgtor hüteten. Jake erwachte schlotternd und hilflos stöhnend aus diesen Träumen.
Der Spinnenbiß in seinem Nacken hatte das Fieber verursacht. Als Roland ihn am zweiten Tag untersucht und festgestellt hatte, daß die Infektion schlimmer geworden war, hatte er sich kurz mit Eddie unterhalten und Jake dann eine rosa Tablette gegeben. »Du solltest mindestens eine Woche jeden Tag vier davon nehmen«, sagte er.
Jake hatte ihn zweifelnd angesehen. »Was ist das?«
»Cheflet«, sagte Roland, dann sah er Eddie erbost an. »Sag du es ihm. Ich kann es immer noch nicht aussprechen.«
»Keflex. Du kannst unbesorgt sein, Jake, es stammt aus einer von der Regierung genehmigten Drogerie aus dem guten alten New York. Roland hat ein paar geschluckt, und der ist gesund wie ein Pferd. Sieht auch ein bißchen wie eines aus, wie du selbst sehen kannst.«
Jake war erstaunt: »Wie habt ihr Medizin aus New York holen können?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte der Revolvermann. »Zu gegebener Zeit wirst du sie ganz hören, aber vorläufig solltest du dich damit begnügen, einfach die Tablette zu nehmen.«
Jake gehorchte. Die Wirkung war schnell und lindernd. Die häßliche rote Schwellung um den Biß herum verblaßte binnen vierundzwanzig Stunden, und inzwischen war auch das Fieber zurückgegangen.
Das warme Ding stupste ihn wieder an. Jake richtete sich mit einem Ruck auf und öffnete die Augen.
Das Geschöpf, welches ihm das Gesicht geleckt hatte, war ein Billy-Bumbler, aber das wußte Jake nicht; er hatte zuvor noch nie einen gesehen. Dieser war magerer als die, die Rolands Gruppe früher gesehen hatte, das schwarz-grau gestreifte Fell war matt und verfilzt. An einer Flanke war ein Klumpen altes, getrocknetes Blut zu sehen. Die schwarzen Augen mit den goldenen Ringen sahen Jake ängstlich an; sein Schwanz zuckte hoffnungsvoll hin und her. Jake entspannte sich. Er vermutete, daß es Ausnahmen von der Regel gab, schätzte aber, daß etwas, das mit dem Schwanz wedelte – oder es wenigstens versuchte –, nicht allzu gefährlich sein konnte.
Das erste Licht dämmerte gerade, es war wahrscheinlich gegen halb sechs Uhr morgens. Genauer konnte Jake es nicht bestimmen, weil seine digitale Seiko nicht mehr funktionierte… oder besser gesagt, auf eine außerordentlich exzentrische Weise funktionierte. Als er sie nach dem Übergang zum erstenmal angesehen hatte, hatte die Seiko behauptet, es wäre 98:71:65, eine Zeit, die, soweit Jake wußte, nicht existierte. Genaueres Hinsehen machte ihm deutlich, daß die Uhr jetzt rückwärts lief. Hätte sie das auf eine kontinuierliche Weise getan, hätte sie wohl immer noch einen gewissen Nutzen gehabt, aber das tat sie eben nicht. Eine Zeitlang wechselten die Ziffern mit der richtigen Geschwindigkeit (Jake wies das nach, indem er zwischen jeder Zahl das Wort ›Mississippi‹ sagte), und dann stoppte die Anzeige zehn oder zwanzig Sekunden völlig – bis er dachte, die Uhr hätte endgültig den Geist aufgegeben –, oder die Ziffern sausten nacheinander wie ein Flimmern vorbei.
Er hatte dieses seltsame Verhalten gegenüber Roland erwähnt und ihm die Uhr gezeigt und gedacht, es würde ihn in
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