Der Dunkle Turm 3 - Tot
wollte – gräßliche Steindrachen mit schuppigen Leibern, spitzen Krallenpfoten und tückisch dreinblickenden Augen.
Eddie berührte sie an der Schulter und deutete noch höher. Susannah sah hoch… und spürte, wie ihr der Atem im Hals stockte. Hoch über den Totems des Balkens und den Drachenmonstern stand ein mindestens zwanzig Meter hoher goldener Krieger breitbeinig auf dem Giebeldach. Ein Cowboyhut war zurückgeschoben und offenbarte die gerunzelte, sorgenzerfurchte Stirn; ein Halstuch hing schief über der Brust, als wäre es gerade nach einem langen und schweren Einsatz als Staubfilter heruntergezogen worden. In der erhobenen Hand hielt er einen Revolver; in der anderen etwas, das wie ein Olivenzweig aussah.
Roland von Gilead stand in Gold gekleidet über der Krippe von Lud.
Nein, dachte sie, als ihr endlich wieder einfiel zu atmen. Das ist er nicht… aber in gewisser Weise doch. Dieser Mann war ein Revolvermann, und die Ähnlichkeit zwischen ihm, der wahrscheinlich seit tausend Jahren oder mehr tot ist, und Roland, ist die ganze Bestätigung für die Existenz von Ka-tet, die du jemals brauchst.
Donner grollte im Süden. Blitze jagten Wolkenfetzen über den Himmel. Sie wünschte sich, sie hätte mehr Zeit, die goldene Statue auf der Krippe und die Tiere zu studieren, die sie umgaben; letzteren schienen Worte eingraviert worden zu sein, und sie dachte sich, was dort geschrieben stand, war wahrscheinlich Wissen, das zu besitzen sich lohnte. Unter diesen Umständen jedoch war keine Zeit zu vergeuden.
Ein breiter roter Streifen war an der Stelle, wo die Straße der Schildkröte in den Platz der Krippe überging, auf das Pflaster gemalt worden. Maud und der Mann, den Eddie Jeeves getauft hatte, blieben in sicherer Entfernung von der roten Linie stehen.
»Bis hierher und nicht weiter«, sagte Maud tonlos zu ihnen. »Ihr habt uns zu der Stelle geführt, wo ihr sterben werdet, aber jedes Lebewesen schuldet den Göttern einen Tod, und ich werde auf dieser Seite der Todeslinie sterben, was auch passieren mag. Ich werde Blaine nicht wegen irgendwelcher Ausländer herausfordern.«
»Ich auch nicht«, sagte Jeeves. Er hatte die staubige Melone abgezogen und hielt sie vor die nackte Brust. Sein Gesicht stellte einen Ausdruck ängstlicher Unterwürfigkeit zur Schau.
»Prima«, sagte Susannah. »Und jetzt zieht Leine, alle beide.«
»Ihr schießt uns in dem Augenblick in den Rücken, wenn wir uns umdrehen«, sagte Jeeves mit zitternder Stimme. »Darauf würd ich Uhr und Patent verwetten, das würd ich.«
Maud schüttelte den Kopf. Das Blut auf ihrem Gesicht war zu grotesken kastanienfarbigen Streifen getrocknet. »Es gab nie einen Revolvermann, der in den Rücken geschossen hat – soviel kann ich sagen.«
»Wir haben nur ihr Wort darauf, daß sie welche sind.«
Maud deutete auf den großen Revolver mit dem abgenutzten Sandelholzgriff, den Susannah in der Hand hielt. Jeeves sah hin… und einen Moment später streckte er der Frau die Hand entgegen. Als Maud sie ergriff, stürzte das Bild gefährlicher Killer, das Susannah sich von ihnen gemacht hatte, in sich zusammen. Sie sahen mehr wie Hänsel und Gretel als Bonnie und Clyde aus; müde, ängstlich, verwirrt und so tief im Wald verirrt, daß sie dort alt geworden waren. Ihr Haß und ihre Angst verschwanden. Mitleid und eine zutiefst empfundene, quälende Traurigkeit traten an ihre Stelle.
»Lebt wohl, ihr beiden«, sagte sie leise. »Geht, wie’s euch beliebt, und fürchtet nichts von mir oder meinem Mann hier.«
Maud nickte. »Ich glaube, daß ihr uns nichts zuleide tun wollt, und ich vergebe euch, daß ihr Winston erschossen habt. Aber hört mir zu – und hört gut zu: Betretet die Krippe nicht. Welche Gründe euch immer bewegen mögen, dorthin zu gehen, sie sind nicht ausreichend. Es bedeutet den sicheren Tod, Blaines Krippe zu betreten.«
»Wir haben keine andere Wahl«, sagte Eddie, und über ihm grollte der Donner wieder wie zustimmend. »Und jetzt will ich euch etwas sagen. Ich weiß nicht, was unter Lud liegt und was nicht, aber ich weiß, daß die Trommeln, wegen derer ihr so ausrastet, Teil einer Aufnahme sind – eines Lieds –, das aus der Welt stammt, aus der meine Frau und ich kommen.« Er sah ihre verständnislosen Gesichter und hob frustriert die Arme. »Himmel, Herrgott, begreift ihr denn nicht? Ihr tötet einander wegen eines Musikstücks, das nicht einmal als Single ausgekoppelt worden ist.«
Susannah legte ihm eine Hand auf die
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