Der Dunkle Turm 6 - Susannah
tausend Stücke zerrissen werden. Nun, ich spüre zwar, dass es für Sie weder der Ort noch die richtige Zeit ist, sich für Christus zu entscheiden, aber werden Sie wenigstens über diese Dinge nachdenken, Sir?«
Mr. Lincolns Antwort kam für Rev. Harrigan anscheinend einen Tick zu langsam, denn dieser Ehrenmann machte wieder etwas mit der Hand, die er weiter auf Mr. Lincolns Rücken festhielt. Mr. Lincoln stieß einen weiteren hohen, atemlosen Schrei aus.
»Ich sagte, werden Sie über diese Dinge nachdenken?«
»Ja! Ja! Ja!«
»Dann setzen Sie sich ans Steuer, und fahren Sie weiter, und der Herr segne und behüte Sie.«
Harrigan ließ Mr. Lincoln los. Mr. Lincoln wich mit vor Entsetzen geweiteten Augen vor ihm zurück und stieg wieder ein. Im nächsten Augenblick fuhr er die Second Avenue hinunter – und das nicht zu langsam.
Harrigan wandte sich an Callahan und sagte: »Katholiken fahren zur Hölle, Father Don. Götzendiener, einer wie der andere; sie unterwerfen sich dem Marienkult. Und der Papst! Behüte, dass ich erst mal von dem anfange! Trotzdem habe ich einige hochanständige Katholiken kennen gelernt und bezweifle nicht, dass Sie einer von denen sind. Vielleicht kann ich durch Gebet bewirken, dass Sie den Glauben wechseln. Und sollte das nicht gelingen, kann ich Sie vielleicht im Gebet durch die Flammen begleiten.« Er sah sich nach dem Gehsteig vor der freien Fläche um, die jetzt Hammarskjöld Plaza zu heißen schien. »Meine Gemeinde hat sich offenbar verlaufen.«
»Das tut mir Leid«, sagte Callahan.
Harrigan zuckte die Achseln. »Im Sommer kommen die Leute ohnehin nicht zu Jesus«, sagte er nüchtern. »Sie machen einen kleinen Schaufensterbummel und sündigen dann munter weiter. Die Zeit für ernstliche Kreuzzüge ist der Winter… man muss ein kleines Ladenlokal mieten, in dem man an kalten Abenden heiße Suppe und heiße Bibellesungen verabfolgt.« Er blickte auf Callahans Füße hinab und sagte: »Sie scheinen eine Ihrer Sandalen verloren zu haben, mein papistischer Freund.« Eine weitere Autohupe trötete sie an, und ein ganz erstaunliches Taxi – Callahan erschien es wie eine neuere Version der alten VW-Busse – kurvte an ihnen vorbei, wobei ein Fahrgast ihnen durchs offene Fenster etwas zubrüllte. Vermutlich nicht gerade Happy birthday! »Und wenn wir die Straße nicht bald frei machen, reicht der Glaube allein vielleicht nicht mehr aus, um uns zu schützen.«
4
»Ihm fehlt nichts«, sagte Jake und setzte Oy wieder auf den Gehsteig. »Ich bin ausgeflippt, stimmt’s? Tut mir Leid.«
»Durchaus verständlich«, versicherte Rev. Harrigan ihm. »Was für ein interessanter Hund! So einen habe ich noch nie gesehen, gelobt sei Jesus Christus!« Er beugte sich zu Oy hinab.
»Ist ein Mischling«, sagte Jake mit gepresster Stimme, »und er mag keine Fremden.«
Oy zeigte, wie sehr er sie verabscheute und ihnen misstraute, indem er den Kopf Harrigans Hand entgegenreckte und die Ohren anlegte, um die Streichelfläche zu optimieren. Er grinste zu dem Prediger auf, als wären sie uralte Freunde. Callahan sah sich inzwischen um. Das hier war New York, und in New York neigten die Leute dazu, sich um ihren eigenen Kram zu kümmern und andere ihren machen zu lassen, aber Jake hatte immerhin eine Pistole gezogen. Callahan wusste zwar nicht, wie viele Leute sie gesehen hatten, aber ihm war klar, dass nur einer das zu melden brauchte – vielleicht diesem Officer Benzyck, von dem Harrigan gesprochen hatte –, damit sie in einem denkbar ungünstigen Augenblick Scherereien bekamen.
Callahan sah Oy an und dachte: Tu mir einen Gefallen und sag nichts, okay? Jake kann dich vielleicht als eine neue Corgi- oder Border-Collie-Kreuzung ausgeben, aber sobald du zu reden anfängst, ist damit Schluss. Also tu mir den Gefallen und tu’s nicht.
»Bist ein Guter, Boy«, sagte Harrigan, und nachdem Jakes Freund wie durch ein Wunder nicht mit »Oy!« geantwortet hatte, richtete der Prediger sich auf. »Ich hätte da etwas für Sie, Father Don. Dauert nur einen Augenblick.«
»Sir, wir müssen wirklich…«
»Auch für dich habe ich etwas, mein Junge – gelobt sei Jesus Christus, sagt lieber Gott! Aber als Erstes… dauert nur einen Augenblick…«
Harrigan rannte zur offenen Seitentür seines widerrechtlich geparkten alten Dodge-Transporters, verschwand darin und wühlte hörbar im Wageninneren herum.
Callahan ertrug das eine Zeit lang, aber das Gefühl, die Zeit laufe ihnen davon, wurde bald
Weitere Kostenlose Bücher