Der Durst nach Blut
war.
Landru beobachtete den Todeskampf, wenn auch nicht mit der gleichen Zufriedenheit, wie er es in tausend Jahren wieder und wieder getan hatte.
Unzählige Male.
Das Zucken des kleinen Körpers verebbte und versiegte schließlich ganz.
Der mit dem Blut in ihn gespülten Keim hatte sich festgesetzt, würde jetzt sprießen und den Jungen als einen der ihren erwachen lassen.
Es würde nicht lange dauern. Es hatte nie lange gedauert.
Gleich würden sich seine Lider wie flatternd heben, und dann würde er die Welt schon aus anderen Augen sehen. Es dauerte an. Doch nichts geschah. Das Kind blieb tot.
Dafür rührte sich etwas anderes. Etwas - im Lilienkelch! Etwas, das so vollkommen anders, so völlig andersartig war als das Lebensspendende, das immer darin gewesen war.
Etwas, das aus dem Kelch fuhr - nun, da es >Blut geleckt< hatte!
*
Im allerersten Moment schien es Landru sogar vertraut.
Weil es sich mit Purpur tarnte.
Nur zum Hohn jedoch, wie er in Agonie erfahren mußte.
Es wölkte aus dem Kelch wie Staub, gespeist aus unsichtbarer Quelle. Es peitschte Landru ins Gesicht, geriet unter seine Kleider, traf ihn überall - und verbrannte ihn.
In Purpurfeuer.
Glühende Staubkörner zwängten sich in jede einzelne Pore seiner Haut und hinterließen Spuren aus furchtbarem Schmerz, wie Land-ru ihn nie auch nur für möglich gehalten hätte. Die glühenden Partikel fraßen sich Bahn, brannten sich in sein Innerstes, um sich dort zu sammeln - und von neuem, in noch brutalerer Gewalt zu explodieren!
Landru ging zu Boden. Im Sturz erkannte er, daß Barabbas sein Schicksal teilte.
Und er nahm noch mehr wahr, mit einem winzigen Rest klaren Verstandes, der schon im nächsten Augenblick dahinschmolz.
Die Wolke aus glimmendem und gleißendem Staub füllte nicht nur dieses Kellergewölbe, in dem ein neuer Anfang hatte gemacht werden sollen. Sie hatte sich weiter ausgebreitet, Wege hinaus gefunden. Landru wußte es, ohne es sehen zu können.
Das Echo ihrer grausamen Schmerzen wehte weit, weit hinaus. Und es traf auf Ziele. Überall auf der Welt ... Dann, endlich, wurde der mächtige Landru erlöst.
Und versank in absoluter Schwärze.
*
Sydney
Sie hatte nicht mehr getrunken, seit sie den Korridor der Zeit verlassen hatte.
Seit Uruk hatte sie ihre Zähne in keine Ader mehr gegraben. Nun tat sie es. Bei einem Vampir!
Sie konnte es nicht verhindern - und wollte es auch nicht mehr. Hemmungslos gab sie sich dem neuen Verlangen hin, war nur noch beherrscht von dem Drang, ihren Durst an dieser Quelle zu stillen.
Der Vampir wußte nicht, wie ihm geschah, als Lilith in die Metamorphose floh. Als sie ihren Körper in eine Fledermaus verwandelte, der ersten Attacke des Vampirs auswich, ihm ins Genick flog, dort ihre Tierzähne in seinen Hals hineinbohrte - und sich in derselben Sekunde zurückverwandelte. Ihr Gewicht drückte ihn zu Boden.
Und dann floß das schwarze Vampirblut auch schon in ihre Kehle. Und schwemmte all das in ihr hoch, was verschüttet gewesen war, seit sie vom Anfang der Zeit zurückgekehrt war ins Jetzt.
Mit einemmal erinnerte sich Lilith: an das, was ihr in Gottes Haus, in der himmelsstützenden Säule purer Energie im Garten Eden an Wissen und Botschaft zuteil geworden war.
Das schwarze Blut brachte die Erinnerung zurück. Und wies ihr zugleich den Weg in die einzige Zukunft, die ihr offenstand .
*
Damals, in Gottes Haus, hatte eine Stimme zu ihr gesprochen. SEINE Stimme. Und sie hatte ihr offenbart, was geschehen würde in jener fernen Gegenwart, aus der Lilith aufgebrochen war, um die Urmutter der Vampire aus ihrem äonenalten Grab zu befreien .
Sie ist nun bei mir, hatte die Stimme gesagt. Ihre Seele ist von der Finsternis befreit und dorthin zurückgeflossen, woher sie einst kam: in mich. Als ich sie zeugte, schien sie mir leicht wie eine Feder. Nun, da sie zurückkehrt, ist sie schwerbeladen wie ein Stern!
Immer noch. Nicht nur diese Welt, auch die Zeit ist verseucht von ihrem Wirken, von ihrer Dunklen Brut, die sich über die ganze Erde verteilt hat und immer neue Schrecken gebiert.
Ich sehe das Morgen vor mir liegen wie ein offenes Buch ... ... an dem ich keine Seite ändern werde.
Alles, was aus deiner Sicht geschah, wird geschehen. Es gibt nur einen Punkt in der Zeit, wo ein Wandel zum Guten vollzogen werden kann: in DEINER Zeit! Nur dort kann dem Joch ein Ende gesetzt werden - und was ich dazu beitragen konnte, tat ich bereits.
Der Rest liegt an dir.
Du wirst meinen Plan
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