Der Effekt - Roman
dem gesagt wird, dass sein staubiges Land noch einen weiteren Monat auf den Regen warten muss. So ist das Leben.
»Der Lieutenant spricht mit Lohberger und holt sich Instruktionen«, sagte er. »Wenn wir diese Mistkerle nicht mit Luftunterstützung fertigmachen können, dann wird unser Job hier erheblich schwieriger.«
»Aber eure Vorgesetzten wollen immer noch die Brücke dort«, sagte Melton ohne große Begeisterung.
»Genau«, bestätigte Shetty. »Die wollen sie immer noch. Ich weiß zwar nicht, wieso, aber sie wollen sie immer noch.«
»Mann, das ist total beschissen«, meldete sich Bakic zu Wort. »Was, zum Teufel, tun wir überhaupt hier? Wir werden doch sowieso nicht bezahlt.«
»Was wir hier tun, du Armleuchter, das ist möglichst schnell aus dieser verdammten Gegend rauszukommen, ohne dass wir zu viele Deppen wie dich dabei verlieren. Reicht dir das als Grund? Oder willst du lieber deine Waffen wegschmeißen und zu den Handtuchheinis gehen und sagen: ›He, wir hatten ein bisschen Pech. Ich mach mich dann mal auf den Weg nach Alaska.‹ Willst du das tun, Private?«
Der Zurechtgewiesene murmelte etwas Ähnliches wie »Nein, natürlich nicht, Corporal«, und befasste sich mit dem intensiven Studium des Staubs zu seinen Füßen. In der ganzen Truppe spielten sich ähnliche Szenen ab, als den Männern mitgeteilt wurde, dass ihre Luftunterstützung verschwunden war, sie dafür aber einen neuen Feind bekommen hatten. Melton sah auf die Uhr. Es war später Nachmittag, in etwa einer Stunde würde die Sonne untergehen. Er fragte sich, ob die 3. Infanteriedivision warten würde, bis es dunkel war. Dann würden die Nachtsichtgeräte ihnen einen deutlichen Vorteil verschaffen. Andererseits war die Stärke der 5. und 6. Kavallerie ihre Mobilität. Sie waren »das flinke Schwert« der Armee und kamen überall durch, was auch immer sich ihm in den Weg stellte. Wenn sie hier sitzen blieben, würden sie die Iraker nur einladen, sie einzukreisen, vor allem dann, wenn sie keine Schläge aus der Luft zu befürchten hatten.
Einige Minuten später war Euler wieder mit dem Funkgerät beschäftigt. Mit gesenktem Kopf und gebeugten Schultern horchte er auf die nächste Katastrophenmeldung. Melton ging davon aus, dass sie vorerst eine Weile hierbleiben würden, und genehmigte sich einen Chili-Mac aus seinem persönlichen Vorrat. Er kaute freudlos auf dem Fleisch herum und spülte das Ganze mit einem Schluck warmem Wasser herunter. Die anderen Männer nutzten die Pause, wie es ihnen gefiel. Manche aßen, manche dösten vor sich hin, einer pisste seinen Namen gegen eine uralte
Hauswand. Alle tranken Wasser oder mixten sich ein Getränk mit den Geschmackskonzentraten aus ihrer Verpflegungsbox. Die meisten im PX-Laden gekauften privaten Rationen waren seit Tagen aufgebraucht, genauso wie der größte Teil von Alcibiades Kautabak.
Immerhin bot die schmale Gasse mit ihrem Schatten eine willkommene Erleichterung nach der langen Zeit in der grellen Sonne des Tages. Auch gegen Abend war es kein großes Vergnügen, in dieser Hitze zu kämpfen. Genügend Wasser für die Truppe zu sichern war genauso schwierig, wie einen Häuserblock von Fedajin-Kämpfern zu erobern. Melton legte den Kopf in den Nacken und versuchte auf diese Weise ein paar Verspannungen loszuwerden. Am Himmel waren vereinzelte Wolken zu sehen, und das grelle Hellblau, das um die Mittagszeit unerträglich gewesen war, wurde dunkler. Vergeblich suchte er nach Hinweisen auf den sogenannten »Effekt des Verschwindens«, eine Art »nuklearer Winter«, der sich über Europa ausgebreitet hatte, als Milliarden Tonnen von Rauch und Staubpartikeln, die von den Bränden in den USA in die Luft stiegen, die Atmosphäre verunreinigten. Hier war davon nichts zu sehen. Vielleicht war das ja alles Unsinn. Er wusste es nicht. Er war genauso von der Welt abgeschnitten wie alle anderen in der Truppe.
In dieser Position, zurückgelehnt gegen die Wand des halbzerstörten Gebäudes und in den grauen Himmel blinzelnd, bemerkte er den dunklen Schatten des Geschosses, das auf sie zusauste. Er wollte laut »Achtung, Angriff!« schreien, aber die Worte kamen ihm nicht über die Lippen. Stattdessen nahm er stumm wahr, wie ein zweites Geschoss in das Dach eines Hauses am Ende der Gasse krachte, mit einem ohrenbetäubenden Dröhnen explodierte und dabei jede Menge tödlicher Schrapnellkugeln in der Gegend verteilte. Männer brüllten Warnungen und warfen sich hinter alles, was ihnen eine karge
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