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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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verschwammen und deren Stimmen miteinander verschmolzen. Zu ihrer Stimme. Ihrem eigenen Lied der Freude.
    Wo endete die Stimme der Göttin, und wo begann ihre eigene? Das Wissen um ihre neue Identität und die Stimme in ihrem Kopf, die unaufhörlich tönte: »Ich liebe ihn, er liebt mich, ich liebe ihn, er liebt mich«, versetzte sie in taumelnde Freude und zugleich in Verzweiflung ... doch seltsamerweise hatte sich inzwischen jedes Gefühl von Schuld verflüchtigt, all das zählte jetzt nicht mehr.
    Sie empfand keine Scham über das, was geschehen war, denn sie hatte Edward ein Geschenk der Liebe dargebracht, aus freien Stücken, und dieses Gefühl vollkommener Liebe war unbeschreiblich schön. Vielleicht würde sie so etwas nie wieder empfinden können, denn nun galt es, die Zukunft und die politischen Verwicklungen zu bedenken. Sie war eine Gegenspielerin in einem Schachspiel der ganz besonderen Art geworden. Deborah hatte ihr dieses Spiel als Kind beigebracht, und sie würde diese Fähigkeit nun gegenüber Edward einsetzen müssen, denn sie war für den Schutz ihrer Freunde verantwortlich, die so viel für sie getan hatten.
    Auch Edward war während der vergangenen zwei Tage völlig durcheinander gewesen und hatte damit William Hastings zur Verzweiflung getrieben, denn es standen wichtige Entscheidungen an, nicht zuletzt die Frage, wie mit Warwick und seinen Leuten während des Turniers umgegangen werden sollte. William hatte versucht, dem König zu entlocken, was mit Anne geschehen war, aber Edward war ungewöhnlich schweigsam - das Erlebnis in der Schatzkammer hatte irgendetwas in ihm verändert.
    Gewöhnlich labte Edward sich an den Frauen wie an Delikatessen, wie William sehr wohl wusste, ehe er, getrieben von seinem Jagdfieber und dem Hunger nach Sieg, zur nächsten ging. Seine Liebesabenteuer waren stets nur ein rein körperliches Vergnügen gewesen. Elizabeth hatte das sehr schnell herausgefunden, und da sie eine außerordentlich geschickte, kluge und schöne Frau war, hatte sie das Begehren ihres Gemahls seit nahezu drei Jahren am Leben erhalten können - für Edward eine ungewöhnlich lange Zeitspanne. Hastings begriff, dass der König durch Anne eine neue Seite an sich entdeckt hatte, eine Seite, von der er bis dahin nichts geahnt hatte. Zum ersten Mal verspürte Edward eine spirituelle Verbindung zwischen sich und einer Frau.
    Das Erlebnis in der Abtei ließ ihm keine Ruhe. Er scheute sich, es Liebe zu nennen, auch wenn er dieses Wort Anne gegenüber gebraucht hatte. Doch er wollte sie beschützen und für sie sorgen. Es war ein quälender Zustand. Wäre er stark genug, hart genug, das zu tun, was für sein Königreich richtig war, auch wenn es bedeutete, sie aus seinem Leben zu verbannen? William hatte ihm bereits mit den Vorteilen einer sorgfältig arrangierten Ehe oder eines Nonnenklosters in den Ohren gelegen - ob sie nun einem Orden beitreten wollte oder nicht. Beim Gedanken an eine »Schwester« Anne musste Edward lächeln.
    Auch wenn er mit den Gedanken ganz woanders war, versuchte er doch, seinem besorgten Kammerherrn die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Dieser ging den Ablauf des für fünf Tage geplanten Turniers mit ihm durch und hob die Probleme mit Warwick und seinem Bruder George hervor, bis er unwillkürlich einen schweren Fehler beging. Er erörterte den Auftritt der Königin in ihrer Rolle als Schirmherrin und bemerkte, es gäbe in der diesjährigen Wintersaison einige auffallend hübsche junge Frauen bei Hofe. Er hätte persönlich zwei von ihnen als Zofen der Königin ausgewählt, die den König gewiss von seinen gegenwärtigen Sorgen ein wenig ablenken könnten.
    Edward war außer sich. Was William sich einbilde, wer er sei? Ein Kind, das mit einer Süßigkeit besänftigt werden müsste? Der König steigerte sich in einen glühenden Zorn hinein, was selten vorkam und allein deshalb ein Ehrfurcht gebietender Anblick war.
    William verstand, dass der Zorn nicht ihm persönlich galt, aber es hatte auch keinen Zweck, sich in dieser Situation mit dem König zu streiten. Also wartete er ruhig, bis sich der König wieder beruhigt hatte, ehe er darum bat, gehen zu dürfen. Er müsse sich um die zahlreichen Gäste kümmern, die bereits zum abendlichen Begrüßungsbankett im Palast einträfen.
    Edward, der am Fenster stand und auf den Fluss hinunterstarrte, willigte mit einer abwesenden Geste ein. Die kurzen Wintertage neigten sich dem Ende, und als Edward ein Fenster öffnete, peitschte

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