Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
Der Sieger des Treffens, ein vierschrötiger, dänischer Ritter, versuchte, eine Art Kampfordnung aufzustellen, obwohl er kaum französisch oder italienisch sprach und folglich von so gut wie keinem der Kämpfer verstanden wurde.
Und da … angebunden im Schatten einer Palme, stand ein schwarzer Hengst. Gisela biss sich auf die Lippen. Sie kannte dieses Tier nur zu gut. Ein bisschen mager für einen Streithengst, aber gut bemuskelt nach all den Meilen, die er hinter sich gebracht hatte, als er Wolfram von Guntheim über die Alpen trug. Wolframs Pferd – Ruperts Pferd!
Gisela bemühte sich, ihr heftig klopfendes Herz zu beruhigen. Die Anwesenheit des Rappen hatte nichts zu bedeuten. Gerade junge Ritter wechselten ihre Pferde häufig. Rupert konnte den Schwarzen in seinem ersten Turnierkampf verloren haben – und hatte zweifellos nicht das Geld aufgebracht, ihn auszulösen. Oder er hatte ihn später gegen ein besseres Pferd eingetauscht. Gründe gab es genug – der Hengst hatte einige Schwachpunkte, die vor allem darin wurzelten, dass Wolfram ihn nie konsequent geritten und ausgebildet hatte. Rupert hatte bestimmt keine Zeit gehabt, das nachzuholen.
Gisela schaute wie gebannt auf den schwarzen Hengst. Sie konnte nicht weggehen, bevor sie seinen Reiter gesehen hatte. Und wenn es … wenn es wider Erwarten Rupert war? Was um Himmels willen tat sie dann? Und warum hatte ersich nicht längst davongemacht, spätestens, als er Armand im Tjost kämpfen sah?
Giselas ärgste Befürchtungen bewahrheiteten sich, als sie den Ritter in den Farben derer von Guntheim aus den Ställen kommen sah. Ein Knappe des Königs hatte ihm beim Anlegen der Rüstung geholfen und begleitete ihn jetzt zu seinem Pferd. Rupert war einer der Letzten, die sich der Hebevorrichtung anvertrauten, mit deren Hilfe die Ritter in den Sattel kamen. Die Heere standen bereit, sie formierten sich bereits für den Buhurt.
Gisela warf einen raschen Blick zum Ehrenbaldachin. Auch der König stand erwartungsvoll in seiner Loge. Der Kampf würde in kürzester Zeit beginnen.
Und Rupert gesellte sich der Partei zu, die gegen Armand kämpfte!
Als Gisela ihn zur Flanke der Streitmacht reiten sah, wurde ihr schlagartig klar, was er plante. Dies hier war kaltes Kalkül! Rupert gegen Armand – ein weiterer Versuch, den Ritter zu töten, den Gisela liebte. Rupert konnte nicht wissen, dass ihre Ehe schon vollzogen war – oder es war ihm gleichgültig, er nähme auch Armands Witwe!
Gisela sah verzweifelt um sich. Sie musste diesen Kampf verhindern – auch wenn das bedeutete, ihr Versprechen zu brechen und Rupert bloßzustellen. Aber wie schaffte sie das? Gisela stand am Rande des Abreiteplatzes. Die Ehrentribüne zu erreichen, bevor der König das Zeichen zum Beginn der Kämpfe gab, war völlig unmöglich. Und sie konnte Friedrich auch kaum in den Arm fallen!
Vielleicht, wenn sie sich selbst zwischen die Kämpfer warf? Das Risiko war gewaltig, der König konnte von der Tribüne aus nicht sehen, dass sie sich näherte. Wenn er das Zeichen gab, während sie sich auf den Kampfplatz stürzte, würden die Pferde sie überrennen.
Gisela überlegte fieberhaft, als sie Malik an einem der Stände am Rande des Turnierplatzes gewahrte. Dort war eine Zielscheibeaufgestellt, auf die man mit Pfeil und Bogen schießen konnte. Drei Schuss kosteten einen Grosso, und wer ins Schwarze traf, konnte seinen Einsatz verdoppeln. Das gelang jedoch kaum jemandem. Die Stadtjungen, die dem Turnier nur zusahen, hatten vorher meist noch nie einen Bogen in der Hand gehabt, und die Ritter, die sich hier lachend miteinander maßen, konnten es kaum besser. Bogenschießen gehörte nicht zu den Künsten, die ein abendländischer Ritter lernte. Malik amüsierte sich offensichtlich köstlich über die Unfähigkeit selbst gestandener Schwertkämpfer, den Bogen auch nur richtig zu spannen.
Gisela rannte auf ihn zu.
»Malik! Malik … Armand … wir müssen den Buhurt stoppen! Er wird ihn umbringen! Wolfram … Wolfram von Guntheim ist unter den Kämpfern …«
Malik lauschte ihrem hilflosen Gestammel mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Herr Wolfram ist dieser traurige Ritter, der mit Nikolaus herumzog, oder?«, fragte er. »Ich glaube nicht, dass Armand von ihm viel zu befürchten hat. Und warum sollte er ihn umbringen wollen? Besteht eine Fehde?«
Gisela schüttelte wild den Kopf. »So hör doch, Malik! Wolfram … es ist nicht Wolfram … es ist Rupert! Rupert hat Wolfram umgebracht, und …« In
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