Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
sogar Fragen stellen. Magdalena erinnerte sich zum Beispiel an Armands skeptische Bemerkungen über die Verpflegung des Heeres während des Zuges durch das Meer und wagte es, das Thema zur Sprache zu bringen. Nikolaus lächelte sie huldvoll an und verriet ihr, dass Gott Meerjungfrauen mit goldener Haut und grünem Haar senden würde, die den Kindern Platten mit Fisch und Meeresfrüchten auftischten, wann immer sie rasteten.
»Und der Boden wird nicht feucht sein wie die Erde hier, wenn es regnet, sondern die Sonne und Gottes Atem werden ihn austrocknen, sodass wir des Nachts warm und geschützt ruhen.«
Magdalena lauschte mit strahlendem Gesichtsausdruck.Sie war unendlich glücklich, wenn sie in Nikolaus’ Nähe sein durfte. Wenn nur der Preis dafür nicht so hoch gewesen wäre …
Magdalena hatte schnell gemerkt, dass es tatsächlich Roland und seine Spießgesellen waren, die den Zugang zu Nikolaus’ Lager regelten. Sie taten das für Geld – aber Magdalena kannte auch andere Währungen. Sie selbst hatte bislang nie Freier angeworben, aber sie erinnerte sich daran, wie ihre Mutter als Hübschlerin herumgezogen war, bevor sie den Stiefvater kennenlernte. Magdalena wusste, wie man sich Männern auffordernd näherte, wie man ihnen mit der Hand über die Wange strich oder seinen Rücken an ihnen rieb wie ein liebeshungriges Kätzchen.
Roland und seine Jungen waren dafür mehr als empfänglich. Vielleicht hatten sie vorher noch kein Mädchen besessen, dafür sprach zumindest ihre anfängliche Ungeschicktheit. Auf jeden Fall waren sie bald ganz verrückt nach Magdalena. Wie damals in Mainz hatte das Mädchen nicht mehr zu tun, als still zu liegen. Danach öffnete sich der Weg zu Nikolaus. Und obendrein zu dem wunderschönen Ritter, der ihm diente!
Wolfram von Guntheim nahm in der Hierarchie rund um Nikolaus eine Sonderstellung ein. Er machte sich nicht gemein mit Kerlen wie Roland, aber er wurde von ihnen auch nicht in Frage gestellt. Tatsächlich betrachteten sie ihn fast mit Ehrfurcht: ein leibhaftiger Ritter in ihren Reihen, der sie obendrein nie herumkommandierte. Wenn Wolfram die Jungen ansprach, dann höflich, aber gewöhnlich redete er ohnehin allenfalls mit den Klerikern und natürlich mit Nikolaus. Der konnte gar nicht genug Rittergeschichten hören. Wolfram unterhielt ihn mit Erzählungen von Kämpfen, Turnieren und Sangeswettstreiten an Minnehöfen. Letztere interessierten den kleinen Sänger besonders, und Wolfram wurde nicht müde, ihm zu versichern, er habe nie einem Wettbewerb beigewohnt, den Nikolaus nicht gewonnen hätte. Das zumindestentsprach der Wahrheit. Wolfram hatte laut Gisela nie einen Minnehof besucht. Und was die Geschichten von seinen Kämpfen anging – als Magdalena einmal vorsichtig an Giselas Hof davon erzählte, wand sich vor allem Rupert vor Lachen am Boden.
Irgendwann redete Wolfram auch mit ihr, Magdalena. Und er drückte sich fast so artig aus, wie es Monseigneur Armand im Gespräch mit Gisela und Konstanze tat. Magdalena schwärmte für Wolfram fast so sehr wie für Nikolaus – zumal der junge Ritter weltlicher wirkte. Nikolaus würde irgendwann in den Himmel entrückt werden, da war sie sich sicher. Aber Wolfram – der bekam ein Lehen im Heiligen Land! Magdalena träumte oft davon, diese Burg dann mit ihm zu teilen, seinem Hof so huldreich vorzustehen wie Gisela ihrem kleinen Zeltlager. Sie würde Kinder mit ihm haben und er würde sie lieben.
Nach den Gesprächen an Giselas Lagerfeuer konnte Magdalena nicht schlafen, sie brauchte irgendeinen Trost – und sei es nur ein Blick in Nikolaus’ schlafendes Gesicht. Also schlich das Mädchen unruhig um den Konvent herum, in dem Nikolaus und sein Tross die Nächte in Straßburg verbrachten. Es handelte sich um ein Nonnenkloster, das die Gattin des Oberhauptes der Familie Zorn gewöhnlich großzügig unterstützte. Die Nonnen hatten es auf ihren Wunsch für den kleinen Prediger geräumt – sogar die Pförtnerin war abgezogen. Roland und seine Jungen hatten die Wache übernommen – und Magdalena war im Stillen darauf vorbereitet, einem von ihnen beizuliegen, um Eintritt gewährt zu bekommen. Und dann womöglich noch einmal Bruder Bernhard, der ihr vielleicht wieder einen Blick auf den schlafenden Knaben gewährte.
Magdalena lächelte beglückt, als sie stattdessen auf ihrem Weg dem jungen Ritter Wolfram in die Arme lief.
»Gott zum Gruße, Herr Ritter«, sagte Magdalena und knickste scheu.
Wolfram warf ihr einen
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