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Der eine Kuss von dir

Der eine Kuss von dir

Titel: Der eine Kuss von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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paar Mädels heraus. Kichern, zupfen die weiten Shirts über ihren Skinny-Jeans zurecht. Zwei von ihnen nähern sich Milo und den Jungs scheinbar zufällig. Ich komme mir an Edgars Seite wie im Kino vor und kann ein Seufzen nicht unterdrücken.
    Die Jungs reagieren zunächst nicht, sie sind ins Gespräch vertieft, tun gleichgültig. Für Starallüren muss man kein Star sein. Dieses Spiel habe ich schon ein paar Mal beobachten können. Tom riskiert als Erster einen Blick, dann ein Lächeln, so vorsichtig, dass es auch keins sein müsste. Die Mädchen werden mutiger, es könnte ihre einzige Chance sein. Jetzt oder nie. Eine der beiden tritt zu der Band und hält ihnen ihre Bierflasche entgegen, sagt etwas, das ich nicht hören kann. Die andere rückt nach, hakt sich bei ihrer Freundin ein. Ihr Parfüm kann ich bis hierher riechen.
    Zwei Mädchen auf drei Jungs, da wird einer enttäuscht daraus hervorgehen, und es wird bestimmt nicht Milo sein.
    Wo ist eigentlich Linda abgeblieben?
    Ich sehe mich um, versuche sie in den kleinen Grüppchen von Leuten zu finden, kann sie aber nicht entdecken. Ich würde mich eigentlich auf die Suche nach ihr begeben, aber dann müsste ich an der Band vorbei, an Milo, und dazu bin ich noch nicht bereit. Also bleibe ich sitzen, als wäre ich an dieser Bank festgewachsen. Als Edgar sich auch noch erheben will, ziehe ich ihn wieder runter. »Bleib hier!«
    Er schüttelt zwar den Kopf, sagt aber nichts weiter und bleibt sitzen. Ein echter Kumpel eben.
    Freddie macht jetzt Feuer in einer alten großen Tonne, so wie man das aus amerikanischen Filmen kennt. Ein paar Leute helfen ihm dabei, wedeln mit Zeitungspapier und schmeißen Holz nach. Irgendjemand zaubert eine Gitarre hervor. Lagerfeuerlieder. Bob Dylan und so Zeug. Mag ich eigentlich nicht. Unser Musiklehrer hatte sich mal vor die ganze Klasse gesetzt und auf seiner Gitarre »Knockin’ on Heaven’s Door« zum Besten gegeben. Seine Stimme war zum Fürchten und bei seinen Grimassen musste ich mich so sehr fremdschämen, dass mich Dylan seitdem immer an dieses furchtbare Ereignis erinnert.
    Ich schiele noch einmal zu der Band, mittlerweile haben sich ein paar Jungs eingefunden, aber auch noch mehr Mädchen, ein paar scheinen ernsthafte Groupie-Absichten zu haben. Ein anerkennendes Klopfen auf die Schultern, ein lustiges Kneifen in die Seiten, ein vorsichtiges Streichen über den Arm.
    Das ärgert mich jetzt doch.
    Ich stehe abrupt auf und nehme meinen ganzen Mut zusammen.
    Edgar sieht mich fragend an.
    »Muss arbeiten«, murmele ich nur und laufe schnell die paar Schritte zur Band, bevor ich es mir anders überlegen kann.
    Mit einem halbherzigen »Hi« stelle ich mich zu der Runde dazu und krame dabei schnell meine Kamera hervor. Die Mädchen nehmen sofort eine abwehrende Körperhaltung ein und verstummen. Die Jungs wirken überrascht von dem plötzlichen Stimmungsumschwung. Nur Milo hat kapiert, was Sache ist, zieht die Augenbrauen nach oben und sieht mich erwartungsvoll an.
    »Ich, ähm …«, beginne ich mit einem Kratzen im Hals, »… wollte fragen, ob du mir ein Interview gibst. Für die Doku. Weißt schon.«
    »Jetzt?«, fragt er mit einem schiefen Grinsen und zeigt dabei auf seine weibliche Fangemeinde.
    »Na ja, nach so einem guten Auftritt sollte man schon mal alles festhalten. Und jetzt ist alles noch frisch, morgen ist das wieder vergessen.« Ich klinge so locker wie die Tante auf dem Bürgeramt.
    »Ist das so?« Milo kommt aus dem Grinsen nicht mehr raus.
    Soll er doch. »Ja, ist so!«
    »Na, wenn du das sagst. Ich meine, du bist die Fachfrau.« Er tippt sich an den Kopf zum Abschiedsgruß für die Gruppe. Die Mädchen sind mächtig enttäuscht, versuchen aber, Haltung zu bewahren. Ich kann nicht widerstehen und zwinkere ihnen zu, ein wenig überheblich und siegessicher. Mann, eigentlich kann ich das nicht leiden, dieses Konkurrenzding zwischen Frauen. Aber bei dem albernen Getue fällt es mir schwer, so etwas wie Solidarität zu empfinden.
    Milo und ich gehen an Edgar vorbei, dem ich ein entschuldigendes Lächeln zuwerfe, in Richtung Tür, zurück in den leeren Konzertsaal. Unsere Schritte werden von den Wänden zurückgeworfen, viel zu laut und mit einer kleinen Verzögerung. Im Saal riecht es nach Schweiß, verschüttetem Bier, kaltem Rauch und nach vielen verschiedenen Sommerparfüms.
    Ohne uns abzusprechen, steuern wir beide auf die Bühne zu und setzen uns auf das knarrende Holz.
    »Déjà-vu«, bemerkt Milo und streicht

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