Der Einsatz
kommt», antwortete Adrian. «Unser Büroleiter in Teheran hat ein paar Agenten und wenige sichere Häuser. Aber eigentlich würde ich das örtliche Team gern da raushalten, denn sie könnten alle bereits infiltriert sein. Das Beste wird sein, ihr drei operiert auf eigene Faust.»
«Steht die Zielperson unter Beobachtung?»
«Das wissen wir nicht», sagte Harry. «Aber er hat offenbar Angst. Er hat uns benachrichtigt, dass er rauswill. Wir müssen also davon ausgehen, dass die iranische Geheimpolizei ihn im Visier hat.»
«Wie gut sind die denn?», fragte Jackie. Sie war die Wortführerin, doch die anderen beiden hörten ebenfalls aufmerksam zu. Adrian verschlang die junge Frau mit gierigen Blicken. Offenbar war das Teil des Spiels zwischen ihnen.
«Das werden wir dann schon merken», sagte Harry. «Aber nach allem, was ich über sie weiß, scheint mir, dass die Jungs ziemlich fähig sind, vor allem auf heimischem Boden. Ihr werdet also schlauer sein müssen als sie.»
«Ein geistiges Kräftemessen», sagte Jackie. «Das gefällt mir. Geben Sie uns einfach die Koordinaten in Teheran durch, Wohnort und Büroadresse, dann denken wir uns was aus. Wohin sollen wir ihn denn ausschleusen, wenn wir ihn gefunden haben?»
«Das steht noch nicht ganz fest. Entweder über die usbekische, die irakische oder die turkmenische Grenze. Adrian und ich werden noch überlegen, was uns am besten passt.»
«Was heißt denn hier ‹uns›? Kommt ihr etwa beide dorthin?»
«Aber sicher doch. Wir müssen mit dem Mann reden, von Angesicht zu Angesicht. Wir müssen herausfinden, wie gefährdet er wirklich ist, und dann einen Plan ausarbeiten, was weiter mit ihm geschehen soll. Aber das geht alles nur, wenn wir ihn leibhaftig vor uns haben. Ihr seid gewissermaßen der Lieferdienst. Falls er darauf besteht, außer Landes zu bleiben, müssen wir etwas inszenieren, damit die Iraner glauben, er wäre tot. Und falls wir ihn wieder hineinschicken, müsst ihr ihn zurückbringen.»
«Hat er Familie?», fragte Jackie.
«Keine Ahnung. Mein Gefühl sagt nein. Aber ich weiß ja nicht mal, wie der Bursche aussieht, woher soll ich dann wissen, ob er verheiratet ist?»
Eine Zeitlang herrschte Schweigen, während sie alle über die Risiken und Unwägbarkeiten dieses Einsatzes nachdachten. Schließlich meldete sich Jackie zu Wort.
«Was passiert, wenn wir erwischt werden?»
«Dann seid ihr im Arsch», sagte Adrian. «Diese Operation läuft ohne Netz und doppelten Boden. Wenn ihr euch in der Nähe einer Grenze befindet, würde ich empfehlen, ihr schießt euch den Weg frei. Und falls man euch in Teheran aufgreift, könnt ihr nicht viel mehr machen als ein dummes Gesicht. Aber wir sorgen dafür, dass ihr gute iranische Anwälte bekommt, versprochen. Und jedes Jahr an Weihnachten schicken wir euch einen Früchtekuchen in den Knast.»
Die drei lachten höflich mit. An solche Gefahren wollten sie gar nicht denken. Wenn man bei Auslandseinsätzen Erfolg haben wollte, musste man einfach davon ausgehen, nicht geschnappt zu werden. Man musste selbst davon überzeugt sein, dass man unsichtbar war.
«Also, was haltet ihr von der Sache?», fragte Harry. «Sagt schon. Adrian und ich wollen eure Meinung hören.»
Sie grinsten alle drei, und das war eindeutig keine Show: Sie freuten sich tatsächlich auf den Einsatz.
«Machen Sie Witze?», fragte Jackie. «Nur für so was leben wir doch.» Dabei sah sie Adrian an.
Harry wollte noch am Nachmittag nach Hause fliegen, um nicht mehr als einen Tag im Büro zu versäumen. Um halb sieben Uhr früh, Washingtoner Zeit, hatte er Marcia Hill eine Nachricht geschickt, in der stand, dass er eine Magen-Darm-Grippe habe und nicht zur Arbeit kommen könne. Sie schrieb zurück, dass sie ihn dringend sprechen müsse. Die Jungs «unten in der Stadt» seien ziemlich nervös, aber wenn er wirklich krank sei, könne das auch noch einen Tag warten. Harry war sich sicher, dass Marcia und ein paar andere Kollegen ihn zu Hause anrufen und sich nach seinem Befinden erkundigen würden, wenn er seine angebliche Grippe um einen weiteren Tag verlängerte.
Adrian fuhr ihn mit demselben Rover zum Flughafen, mit dem er ihn tags zuvor abgeholt hatte. Der britische Agent wirkte zerstreut. Vielleicht machte er sich ja Sorgen um Jackie oder träumte davon, sie zu bumsen, oder beides. Doch das war es gar nicht.
«Vielleicht sollten wir noch über die nötigen Vorkehrungen sprechen», sagte Adrian, als sie Chiswick hinter sich gelassen
Weitere Kostenlose Bücher