Der Einzelgänger
markerschütternd...
Dann ein anderes Geräusch, eines, das ich kenne, ein Dreifachknall. Ba-ba-bam, und mein Gesicht und meine Hände werden von Asphaltsplittern malträtiert. Ich wälze mich wieder herum, und diesmal bekomme ich meine Hände und ein Knie unter mich. Dann schnelle ich mich mit einer gewaltigen Anstrengung all meiner Hauptmuskeln auf die Beine. Mir ist schwindlig, und fast lege ich mich wieder hin, schaffe es aber doch, das Gleichgewicht zu halten - knapp. Einen Augenblick später stolpere ich beinahe über einen Bordstein, aber ich setze die Bewegung in einen Stolperschritt um und schlage einen Haken nach rechts. Wieder das Ba-ba-bam, und ein Müllcontainer neben mir verwandelt sich in Granatsplitter. Noch ein Stolperschritt, ein Haken nach links, und ich riskiere einen raschen Blick über die Schulter.
Mitten auf der Straße steht der Tsarina in Flammen, das Heck ist verdreht und aufgerissen und hat sich in eine schreckliche Art von Skulptur verwandelt. Aus der Fahrgastzelle schlagen fröhlich die Flammen. Die Schreie haben aufgehört, und ich weiß, das ist ein Segen. Der vordere Teil des Wagens, der Teil vor dem Beifahrersitz, liegt ein paar Meter vom Rest des Wracks entfernt - durch einen absonderlichen Zufall hat er nicht Feuer gefangen. Offenbar ist der Tsarina von der Explosionswucht der Rakete an der Vorderachse in zwei Teile gespalten worden.
Auf dem Dach eines niedrigen Hauses an der Straße mache ich Bewegung aus - eine Einzelperson, nehme ich an. Zwei weitere Gestalten sind auf der Straße und bewegen sich vorsichtig auf Cat und den Wagen zu, der sich in ein Krematorium verwandelt hat. Die Elektronik übernimmt, und ich jage ein paar Feuerstöße in ihre Richtung. Nur, um sie zu beschäftigen, nicht in der Erwartung, Schaden anzurichten. Ich weiß, daß sie gepanzert sind, genauso wie ich weiß, wer und was sie sind.
All das hat einen Sekundenbruchteil gedauert und war ein verdammt guter Job. Die Mossberg auf der anderen Straßenseite wummert wieder, und diesmal fegt die Ladung so dicht an mir vorbei, daß ich sie spüren kann.
In mir tobt eine rasende Wut, ein schreckliches Brennen, das ich so noch nie zuvor empfunden habe. Die Wut fühlt sich an, als sei sie losgelöst von mir, eigenständig, als habe sie ihre eigenen Bedürfnisse und eine eigene Persönlichkeit. So, wie sich die Elektronik manchmal anfühlt, aber noch stärker. Die Wut will nichts anderes, als auf die Straße rennen und meine H&K in die Gestalten - in die Mörder - leeren, bevor ich selbst niedergemäht werde. Dasselbe gilt für die Elektronik.
Aber ich kann es nicht tun, ich kann nicht sterben. Noch nicht. Ich habe noch Dinge zu erledigen, sage ich mir, und die Wut in mir versteht das. Ich muß das Warum herausfinden, und ich muß das Wer bestätigen (obwohl ich denke, daß ich davon eine verdammt gute Vorstellung habe), und dann muß ich ein paar nicht ganz so höfliche Besuche machen. Wenn das erledigt ist, kann mich von mir aus jeder, der scharf darauf ist, niedermähen.
Ich mache eine Körpertäuschung nach rechts, dann werfe ich mich mit jedem Joule Energie, das noch in mir steckt, nach links. Die Mossberg zerlegt einen Laternenpfahl ein gutes halbes Dutzend Meter neben mir, nur daß sich jetzt die MPs auch zur Party gesellen. Zu spät. Ich bin schon in einer Gasse untergetaucht, weg von der gut beleuchteten Straße und wieder in der Dunkelheit und in den Schatten, die ich so gut kenne. Sollen doch die Cops von Lone Stars Taktischem Einsatzkommando aufräumen. Die Abrechnung kommt noch früh genug.
Aber nicht jetzt.
Ich renne weiter durch die Nacht.
ZWEITES BUCH
14
Wahnsinn. Verdammter Wahnsinn! Ich liege auf einem quietschenden, unbequemen Bett in Zimmer 2LR in einer der dreckigsten Absteigen, der ich je zu begegnen das Pech hatte. Auf dem Teppich sind Kotzflecken und auf der Matratze Blutflecken, und wenn die Heizung anspringt, verrät mir der Gestank, daß sich einer der früheren Bewohner nicht die Mühe gemacht hat, den kurzen Weg über den Flur zum Klo zu gehen. Dennoch ist das Zimmer für mich das, was einem Zuhause noch am nächsten kommt. Ich brauchte Schlaf, und ich brauchte das Gefühl der Sicherheit -falsch oder nicht - eines Daches über dem Kopf und von Wänden, die Wind und Regen abhalten. Wenn es schon nicht sicher war, in einer Absteige unterzukriechen, als nur die Cutters hinter mir her waren, ist es jetzt noch viel gefährlicher. Doch anderenfalls hätte ich nur durch die Straßen
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