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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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verständnisvoll kicherte.
    »Also«, fuhr er fort, nachdem er sich gesammelt und seine Aufzeichnungen hervorgekramt hatte, »zunächst würde ich gern folgendes erfahren. Wo gibt es dieses Gift noch, außer in den Blasrohren der Indianer in Südamerika? Wie tritt der Tod nach einer Injektion ein, und warum hatte der Verstorbene Leichenflecken am Hint… an der Gesäßmuskulatur und an den Unterseiten der Schenkel, so daß es aussah, als wäre er im Sitzen gestorben? Du sagtest doch, er sei nicht in der Stellung gestorben… oder?«
    Eino Niemi erhielt ein kurzes und klar verständliches Privatissimum. Was er hörte, war zumindest in rein praktischen und polizeilichen Begriffen verständlich, mochten auch die Visionen, die ihm dabei kamen, entsetzlich sein bis an die Grenze des Unbegreiflichen.
    »Curare ist ein Gift mit einer die Muskeln entspannenden Wirkung. Eine ausreichende Dosis bewirkt, daß unter anderem die Oberkörpermuskulatur gelähmt wird, was zu einem Atemstillstand führt. Das Opfer stirbt langsam, bleibt die ganze Zeit unter starken Angstanfällen bei Bewußtsein. Der Vorgang dauert fünf bis zehn Minuten, je nachdem, ob man bis zur Bewußtlosigkeit oder zum Tod im juristischen Sinn rechnet, und ist überdies davon abhängig, welche Konzentration injiziert worden ist.
    Nein, selbst bei uns hier oben ist Curare keine Seltenheit. Wenn wir statt dessen die industrielle Bezeichnung Succinylkolin verwenden, finden wir die Substanz in den meisten größeren Krankenhäusern. Man setzt sie ein, um die Muskulatur von Patienten bei größeren operativen Eingriffen zu entspannen; diese liegen dann natürlich an einem Beatmungsgerät, so daß die Atmung auf diesem Wege aufrechterhalten wird. Ja, alle größeren Krankenhäuser haben Zugang zu der Substanz.
    Als Mordwerkzeug ist diese Substanz deshalb so gut geeignet, weil man sie mit etwas Glück bei einer gerichtsmedizinischen Untersuchung nicht entdeckt. Würde man sie direkt ins Blut spritzen, könnte man sie nach einiger Zeit überhaupt nicht mehr nachweisen, da sie als organische Substanz im Gegensatz zu Metallen und anderem vom Körper aufgenommen und abgebaut wird.«
    »Warum dann nicht direkt in den Blutkreislauf injizieren?« fragte Eino Niemi, der sich fieberhaft Notizen machte, aber auch das Tempo des Informationsflusses dämpfen wollte.
    »Wenn man mörderische Absichten verfolgt, ist es natürlich besser so, wenn der Patient sich aber wehrt oder zappelt, ist das nicht unbedingt möglich. Da muß man den Betreffenden zunächst völlig ruhigstellen.«
    »Wenn man aber in einen Muskel injiziert wie in unserem Fall, kann das also schnell und überraschend geschehen?«
    »Genau. Einerseits hat man den Vorteil, andererseits besteht wie in unserem Fall ein größeres Entdeckungsrisiko.«
    »Und was hat es damit auf sich, daß er nicht im Sitzen starb?«
    »Darauf deuten ja schon die Leichenflecke hin, wie du bemerkt hast. Aber wie ich mir einen solchen Todesfall vorstelle, sitzt man wohl nicht sehr still, wenn man Krämpfe hat und Todesangst.«
    »Jemand hat ihn also nach dem Tod zurechtgesetzt?«
    »Ja, oder nach dem Eintritt der Bewußtlosigkeit.«
    Eino Niemi starrte intensiv auf seine hingekritzelten Notizen. Er wußte, daß er noch mehr Fragen hatte, wußte, daß er mit Sicherheit wieder anrufen würde, wollte aber dennoch möglichst wenig stören. Schließlich fiel ihm etwas ein, was er vergessen hatte.
    »Ach ja, diese Sache mit dem Mageninhalt. Du schreibst unter… unter Punkt 32 in deinem vorläufigen Gutachten, daß sich dort, ich lese, ›etwa hundertfünfzig Milliliter einer ziemlich gut durchgekauten und halbverdauten Nahrung befanden, wobei die Fleischfasern und Erbsenschalen identifiziert werden konnten‹. Was bedeutet das?«
    »Wie meinst du?«
    »Ja, was hat er gegessen? Erbsen und Speck?«
    »Naja, falls ich mich recht erinnere, sah es ungefähr aus wie ein Wiener Schnitzel. Jedenfalls waren die Erbsenreste grün und nicht gelb.«
    »Wie lange war es her, seit er etwas gegessen hatte, ich meine, bevor er starb?«
    »Dann müssen wir uns an das Zentralamt für Lebensmittel wenden. Die machen solche Analysen, und ich will das gern übernehmen. Aber so über den Daumen gepeilt würde ich sagen, rund fünf oder sechs Stunden.«
    »Und in dieser letzten Mahlzeit kann sich kein Gift befunden haben?«
    »Nein, definitiv nicht.«
    »Nicht einmal Curare?«
    »Doch, das wäre schon möglich, aber da man es ihm injiziert hatte… fünf oder sechs

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